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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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entfernt, und noch war keine Viertelstunde verflossen, als es ganz aufgehört hatte.
    »Die Luft wird frischer«, nahm der Kanadier wieder das Wort; »der Wind führt uns den Geruch des Laubes zu, und die Schakale haben aufgehört zu heulen. Das ist ein Zeichen, daß die Morgendämmerung naht. Noch eine halbe Stunde, und wir müssen uns auf den Weg machen; der Tag wird uns zeigen, welchen Weg wir einschlagen müssen, um nicht mehr gerade mitten unter die Indianer zu geraten; die Spuren können uns nicht entgehen. Die Stunde, die dem Anbruch des Tages folgt, ist vortrefflich dazu geeignet, sie zu entdecken, denn der vom Tau weiche Boden bewahrt alle Eindrücke. Doch vorher können wir noch essen, um Kräfte zu gewinnen.«
    Und kaum waren einige Augenblicke verflossen, so war auch durch die Macht der Gewohnheit bei den Männern, die nur die gegenwärtige Gefahr für etwas Beachtenswertes halten, die vollständigste Sicherheit an die Stelle der Befürchtungen getreten. Während das einfache Mahl, das in einer Handvoll Pinole für jeden bestand, in aller Eile eingenommen wurde, fühlte Fabian, daß endlich der Augenblick gekommen sei, seine Pläne für die Zukunft demjenigen zu eröffnen, den die Dankbarkeit ihn wie einen Vater ansehen ließ. In den republikanischen Sitten eines Landes, das er für sein Vaterland gehalten hatte, bestand die Ehrfurcht vor der Familie und dem väterlichen Ansehen noch in ihrer ganzen Heiligkeit, und der junge Graf von Mediana folgte unwillkürlich den Eindrücken seiner Erziehung.
    »Bois-Rosé, mein Vater!« sagte Fabian.
    Bei dieser Anrede erbebte der Jäger, denn er erkannte an der feierlichen Haltung und an der Erregung in der Stimme des jungen Mannes, daß er vor einem der wichtigsten Augenblicke seines Lebens stünde, und sein Herz schlug noch heftiger als bei der Nähe der Gefahr, die sie eben bedroht hatte. Pepe fühlte ebenfalls, daß er vielleicht zuviel sein könnte, und entfernte sich rücksichtsvoll einige Schritte weit.
    »Mein Vater«, wiederholte Fabian, » – denn diesen Namen auszusprechen, wird mir immer eine süße Pflicht sein –, du hast in den großen Städten Europas und in unseren Steppen gelebt, und du bist gerade darum imstande, den Unterschied beider zu würdigen.«
    »Ja«, antwortete Bois-Rosé, »in den fünfzig Jahren meines Lebens habe ich den Prunk der Städte mit der Großartigkeit der Steppe vergleichen können.«
    »Diese großen Städte, in denen sich Tausende von Menschen drängen; diese hohen Paläste, einer neben dem anderen, müssen ein schöner Anblick sein. Man ist glücklich, in ihnen zu leben, nicht wahr? Denn dort muß ja kein Tag dem vorhergehenden gleichen!«
    »Es ist wirklich etwas sehr Schönes«, erwiderte der alte Jäger spöttisch, »diese großen Straßen, in denen eine geschäftige Menge dich stets im Vorbeigehen anrennt und wo das Rollen der Wagen dich betäubt; diese Häuser, in denen Luft und Licht, die Gott in der Steppe so verschwenderisch ausgeteilt hat, dir spärlich zugemessen sind; wo der Arme auf seinem harten Lager vor Elend stirbt, während der Lärm von den Festen der Reichen zu ihm herüberschallt; wo ...«
    Bois-Rosé hielt plötzlich inne; er begriff auf einmal, daß er auf falschem Weg sei, daß eine solche Schilderung hieß, auf Fabians Lippen das erwartete Anerbieten ersticken, das Leben in den Städten mit ihm zu teilen. Es ist so natürlich zu hoffen, was man so glühend wünscht!
    Der Jäger unterbrach sich also und fügte ohne Übergang hinzu: »Ich meinesteils würde sehr glücklich sein, dort mein Leben zu beschließen.«
    Bei den letzten Worten Bois-Rosés bekam Pepe einen schalkhaften Hustenanfall.
    Fabian glaubte, ihn falsch verstanden zu haben. »Dann hat also«, fuhr er fort, »das Steppenleben den Reiz für dich verloren, den du so sehr an ihm rühmtest?«
    »Hm«, erwiderte Bois-Rosé, »es würde ein sehr schönes Leben sein, wenn man nicht der Gefahr ausgesetzt wäre, heute vor Durst, morgen vor Hunger zu sterben, ohne die Gefahren zu rechnen, sein Leben und seine Kopfhaut an die Indianer zu verlieren.«
    Pepes Husten schien einen krampfhaften Charakter anzunehmen.
    »Das ist jedoch nicht das, was ich dich so oft habe sagen hören«, antwortete Fabian erstaunt.
    »Glaubt ihm nicht«, unterbrach ihn plötzlich herantretend der frühere Grenzjäger. »Der Matrose, der Ottern- und Biberjäger sollte den Aufenthalt in den Städten der freien Bewegung in der Steppe vorziehen? Weg damit! Seht Ihr denn

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