Der Waldläufer
nehmen«, sagte Pedro Diaz.
»Heda, Sang-Mêlé, hier ist der Häuptling der mexikanischen Goldsucher, der wohl ebensogut ist wie ein anderer, wenn man ihn nach einigen glänzenden Taten, die ihm niemand bestreitet, und nach dem indianischen Blut beurteilt, das er hat fließen lassen.«
»Wir werden zusammen unterhandeln«, sagte der Mestize. »Kann ich auf sein Wort hin allein vorwärts gehen, ohne Waffen und mit einem einzigen bewaffneten Gefährten hinter mir? Ihr werdet es Eurerseits ebenso machen.«
»Ja, ja«, erwiderte der biedere Abenteurer; »ich verpfände meine Ehre und will Euch mit gutem Beispiel vorangehen.«
Der Mestize wandte sich zu seinem Vater um; beide wechselten ein gehässiges, wildes Lächeln. »Aufgepaßt!« sagte Sang-Mêlé zu ihm.
»Mein Bruder hat unrecht«, sagte der Komantsche; »die giftige Schlange ist darum nur noch mehr zu fürchten, weil sie zuweilen wie die Lerche auf den Feldern singt.«
»Wilson!«
»Sir?«
»Ihr schießt wie Wilhelm Tell«, sagte Sir Frederick. »Ich würde es mit großem Vergnügen sehen, wenn Ihr diesen braven Mann begleiten wolltet, um ihn nötigenfalls zu beschützen.«
»Sehr gern«, erwiderte der Amerikaner.
Zur selben Zeit hörte man das Gesträuch knacken, und die beiden Piraten der Prärien erschienen am Waldsaum in demselben Augenblick, in dem sich Diaz und der Amerikaner, ebenfalls allein, auf dem Biberdamm zeigten.
Die vier Unterhändler betrachteten einander einen Augenblick schweigend. Diaz sah die beiden Banditen zum erstenmal – ein Begegnen in der Nacht nicht weit vom Val d'Or ausgenommen –; aber wenn auch ihre Gesichtszüge etwas Unheilverkündendes für ihn hatten, so ließ er doch nichts davon merken. Wilson kannte die beiden berüchtigten Räuber, die sich vor ihm befanden, schon dem Aussehen nach.
Sang-Mêlé ging ungefähr sechs Schritt über die letzten Bäume des Waldes hinaus, Diaz beinahe noch einmal soviel. Der Amerikaner blieb, auf seine Büchse gestützt, auf dem Damm stehen. Main-Rouge stand in derselben Stellung am Saum der dichten Gebüsche, aus denen er eben hervorgeschritten war.
Diaz ging mit festem Schritt auf den Mestizen zu und ergriff die Hand, die dieser ihm reichte; er fühlte zu spät, daß seine Biederkeit nicht genug die Treulosigkeit des Räubers berücksichtigt hatte, dessen Finger sich über den seinigen schlössen wie die Federn einer Wolfsfalle.
»Feuer!« rief der Mestize mit starker Stimme, indem er seine andere Hand auf die Schulter des Abenteurers legte.
Die Büchse von Main-Rouge hob sich; der Schuß ging los; die Kugel pfiff an den Ohren Sang-Mêlés vorüber; der unglückliche Diaz wurde mitten in die Brust getroffen und wollte niederstürzen, als die kräftigen Arme des Mestizen ihn aufrecht hielten. Der Pirat deckte sich mit dem Körper des Abenteurers, der fast nur noch eine Leiche war, wie mit einem Schild und ging rückwärts, die Augen fest auf die Büchse Wilsons gerichtet, der vergeblich eine Stelle suchte, um ihn zu treffen. Der Bandit berührte schon den Saum des Waldes, als Diaz vor seinem Tod noch die Kraft hatte, sein Messer zu ziehen und es Sang-Mêlé in das Schultergelenk zu stoßen.
Der verwundete Pirat sprang rückwärts, und als er hinter sich das Laub der Bäume fühlte, warf er den Abenteurer vor sich nieder, dessen Leben durch diesen letzten Stoß vollends ausgelöscht wurde, und rief: »Das ist die Leiche eines Häuptlings!«
Er verschwand hinter dem dichten Gebüsch, und die Kugel Wilsons traf nur Zweige und Laub.
Die erste Bestürzung über diesen hassenswerten Mord war noch nicht ganz vorüber, als die beiden Piraten der Prärien schon fern waren und Sang-Mêlés Stimme rief: »Wer wird wagen, heranzukommen und den Händen El Mestizos die Tochter des Weißen und den Sohn des Adlers zu entreißen?«
»Bei Jesus Christus und dem General Jackson – das werde ich tun!« rief Wilson und stürzte dem Banditen nach.
Aber der junge Komantsche war ihm schon mit der Schnelligkeit des Blitzes, dessen Namen er trug, zuvorgekommen und drang bereits in das Dickicht ein, als der Amerikaner, Sir Frederick und die neun Komantschenkrieger – Äxte, Büchsen und Dolche in der Hand – nach ihm hineinstürzten.
Sang-Mêlé, der besser als sie die Pfade in dem dichten Waldgürtel kannte, kam lange Zeit vor den Angreifenden in die Lichtung. Das Blut rieselte von seiner Schulter, aber seine außerordentliche Kraft schien nicht geschwächt. Als er abermals bis ans Ufer des
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