Der Waldläufer
bleicher und niedergeschlagener als Fabian, der doch wenigstens wußte, daß der Tod seine Leiden beenden würde, unter der Bewachung des alten amerikanischen Renegaten eingesperrt. Dieser saß am Eingang der Hütte, seine lange Büchse quer auf den Knien; Bois-Rosé konnte ihn wegen der zur Befestigung der Verschanzung ausgebreiteten Decken und Mäntel nicht sehen.
In der von dieser letzteren entferntesten Ecke der Hütte sagte Fabian, der noch nicht wußte, ob er das Spielzeug eines Traums gewesen war oder ob er in der Wirklichkeit die Stimme gehört hätte, deren Klang er unter Tausenden wiedererkannt haben würde, und der durch neue Fesseln zu der vollständigsten Regungslosigkeit gezwungen war, den teuersten Erinnerungen seines Lebens ein letztes Lebewohl. Zwei Indianer bewachten ihn mit dem Befehl, ihn zu erdolchen, wenn der vorgeschlagene Ausfall nicht den Erfolg hätte, den der Apachenhäuptling erwartete. In dem Fall, daß der Sieg ihn krönen würde, wollte der Schwarze Falke die Süßigkeit einer grausamen Rache mit Lust und Behagen kosten. Fabian verdankte also die Verlängerung seiner letzten und schrecklichen Augenblicke nur der Grausamkeit seines Feindes und nicht seiner Gnade. Übrigens konnten Fabian und Rosarita in ihrer gegenseitigen Lage die Anwesenheit des einen oder des anderen in dem engen Raum nicht ahnen und noch weniger sich sehen.
Das war der Anblick der Lichtung und der Zugänge zum Biberteich, als Sang-Mêlé sich zur Hütte wandte, an deren Tür sein Vater wachte. Ein kurzes und rasches, englisch geführtes Gespräch fand zwischen den beiden Piraten statt. Darauf erhob sich Main-Rouge, und nach einer schrecklichen Drohung gegen Rosarita, deren Sinn leicht zu erraten ist und deren ganze Bedeutung sie verstand, folgte der alte Renegat dem Mestizen. Beide näherten sich dem Ende der Lichtung, wo sie Rayon-Brûlant am nächsten und von Bois-Rosé am entferntesten waren, und bahnten sich einen Weg durch die Bäume; nach einigen Schritten standen die beiden Banditen still. Sie konnten ebensowenig von den Ihrigen als vom Feind gesehen werden.
Die Stimme Sang-Mêlés erhob sich unter den Bäumen: »Mögen die Ohren des tapferen Kriegers, den die Apachen Nuage-Sombre Dunkle Wolke und den die Komantschen Rayon-Brûlant Zündender Strahl nennen, offenstehen!« rief der Mestize.
»Rayon-Brûlant hat niemals Nuage-Sombre gekannt!« antwortete der junge Krieger. »Was will man von ihm, und wer ruft ihn?«
Sang-Mêlé hatte diese Worte in einem solchen Apachendialekt gesprochen, daß Rayon-Brûlant einen seiner Stammesgenossen, die er selbst in der Erinnerung verleugnete, zu hören geglaubt hatte.
»Ich bin es, Sang-Mêlé«, antwortete der Mestize, »der die Hand eines Freundes drücken will.«
»Wenn das alles ist, was El Mestizo will, so schweige er; seine Stimme ist mir verhaßt wie das Zischen oder das Geräusch der Klapperschlange«, antwortete die Stimme Rayon-Brûlants.
»Es ist nicht alles: El Mestizo hat den Sohn des Adlers und die weiße Taube des Sees in seiner Gewalt, und er bietet ihre Auslieferung an.«
Es fehlte wenig daran, daß die leidenschaftliche, freudige Bewegung, die plötzlich das Herz des jungen Komantschen ergriff, sich nicht durch ein seinem Mund entschlüpftes Triumphgeschrei Luft gemacht hätte, trotz der Herrschaft, die er über seine ungestümen Leidenschaften ausübte. Er konnte sich jedoch beherrschen, um das ungeheure Interesse, das er an der Blume des Sees nahm, zu verbergen und den Räuber dadurch nicht noch anmaßender in seinen Bedingungen zu machen.
Erst nach einer kurzen Pause, in der er das ungestüme Schlagen seines Herzen unterdrücken und beruhigen mußte, konnte er kaltblütig antworten: »Unter welchen Bedingungen will Sang-Mêlé die Blume des Sees und den Sohn des Adlers ausliefern?«
»Er wird sie Euch geben, wenn eine seiner Hände zum Zeichen der Freundschaft die des Adlers der Schneegebirge selbst und die andere die Rayon-Brûlants drücken wird. Die Häuptlinge sind nicht gewohnt, zu unterhandeln, ohne sich zu sehen, ohne einander in den Augen zu lesen.«
»Der Adler ist nicht hier, und Rayon-Brûlant wird niemals die Hand El Mestizos drücken; es sei denn, um sie zu zerbrechen.«
»Gut«, antwortete der Mestize, dessen haßentflammte Augen und dessen wuterfüllte Stimmung der Komantsche nicht sah. »Gibt es keinen anderen Häuptling hinter dem Biberdamm?«
»Mit Eurer Erlaubnis, Komantsche, werde ich die Verhandlungen auf mich
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