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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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wiederholte Tiburcio, dessen Erstaunen sich bei dieser Anrede verdoppelte, während der Kanadier forschende Blicke auf ihn warf und mit der Hand den Nebel entfernen zu wollen schien, der seine Augen verdunkelte.
    »O mein Gott!« sagte traurig Bois-Rosé für sich. »Da dieser Name ihn an nichts erinnert, so ist er es nicht. Warum habe ich diese törichte Hoffnung gefaßt? Und doch sind diese Züge so, wie das Alter sie hätte ändern müssen. Doch verzeiht, mein junger Freund – ich bin ein Narr, ein Wahnsinniger!« Und der Kanadier warf den Brand ins Feuer zurück, setzte sich wieder an den Fuß des Baumes, den er verlassen hatte, mit dem Rücken gegen das Licht, so daß er ganz und gar in dem dichten Schatten verborgen war, den der buschige Wipfel des Korkbaumes verbreitete, gegen den er sich lehnte.
    Ein bläuliches Licht erhellte schon die höchsten Wipfel des Waldes; der Tag mußte bald erscheinen; doch unter dem Laubdach war alles noch dunkel, obgleich der Hahn schon auf der benachbarten Hacienda krähte.
    Wie jene Samenkörner, die der Wind der Erde anvertraut und die trotz der Winterstürme gedeihen, so hatte auch – trotz der stürmischen Ereignisse, von denen Tiburcio fortgerissen war – die Erzählung seiner Adoptivmutter vor ihrem Tod über seine Ankunft in Amerika in seinem Gedächtnis gekeimt; er strengte sich an, in die Vergangenheit zurückzublicken, und schwieg, um in seinem Innern zu lesen, um die Kette seiner Erinnerungen, die durch einen Zeitraum von achtzehn Jahren zerrissen war, wieder zusammenzufügen. Ohne sich dessen deutlich bewußt zu sein, erinnerte ihn doch dieser Jäger, der vor ihm saß, unbestimmt an den Riesen, den die Frau Arellanos' erwähnt hatte. Doch wie sollte er auf den Gedanken kommen, daß der Matrose sich in einen Otternjäger verwandelt hatte? Deshalb sah er in den Fragen des Kanadiers nur eine wohlwollende, aber teilnahmslose Neugier; wirklich hatte auch der Waldläufer ihm noch nicht gesagt, daß er einen Sohn suche. Dieses einzige Wort hätte alles aufgeklärt – aber Bois-Rosé hatte es nicht ausgesprochen.
    »Vielleicht«, sagte Tiburcio, das Schweigen unterbrechend, »gibt es unter meinen Erinnerungen aus meiner früheren Zeit manche, die man wieder ins Leben rufen könnte; aber ach, Gott allein nur könnte es tun! Welcher Mensch wird diesen unbestimmten Erinnerungen eine bestimmte Gestalt geben? Denn ich weiß nichts mehr genau.«
    »Nichts!« wiederholte der Kanadier mit leiser Stimme, indem er traurig den Kopf auf die Brust herabsinken ließ.
    »Und doch«, fuhr Tiburcio fort; »in dem Schweigen einer Nacht wie dieser, während ich beim Leichnam derjenigen wachte, die ich für meine Mutter gehalten hatte, ist ein zweifelhaftes Licht in diese Dunkelheit gefallen, und ich glaube mich an sehr traurige Szenen erinnern zu können! Aber das sind ohne Zweifel Träume – wenn auch schreckliche Träume!«
    Während Tiburcio sprach, schöpfte der Kanadier wieder Hoffnung und hob langsam das Haupt wie eine Eiche, die ein Windstoß niedergebeugt hat.
    Tiburcio fuhr fort, indem er mit der Hand ein Zeichen machte, den noch schlecht wieder zusammengeknüpften Faden seiner Erinnerungen nicht zu zerreißen, und langsam sprach wie jemand, der mühsam eine durch die Jahrhunderte verwischte Inschrift wieder entziffert: »Es ist mir, als ob ich mich in einem weiten Zimmer befände, das ein Windzug – kälter, als ich ihn jemals gefühlt habe – noch kühler machte; es ist mir, als ob ich das Schluchzen einer Frau hörte, eine rauhe, drohende Stimme – und weiter nichts!«
    Diese Worte täuschten immer noch die Erwartung des Kanadiers, denn man erinnert sich, daß er nur die Entwicklung des Dramas von Elanchove gesehen hatte. »Das sind wahrscheinlich Träume«, sagte er traurig; »aber weiter, weiter! Erinnert Ihr Euch an weiter nichts mehr? Erinnert Ihr Euch nicht an das Brausen des Meeres? Das ist ein Schauspiel, das man nicht vergißt, so jung man es auch gesehen haben mag!«
    »Ich habe das Meer zum erstenmal vor vier Jahren in Guaymas gesehen«, erwiderte Tiburcio; »und doch, wenn ich gewissen Zeichen glaube, die man mir gegeben hat, so muß ich es zum erstenmal in meiner zartesten Kindheit gesehen haben.«
    »Nun«, fuhr der Kanadier fort, noch einmal in seiner Hoffnung getäuscht, den wiederzufinden, den er seit langen Jahren beweint hatte, »ruft Euch diese Erinnerung nichts weiter zurück?«
    »Nichts!«
    »Nichts?«
    »Nichts Bestimmtes wenigstens; aber wie Ihr

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