Der Waldläufer
der Zelte mußte einem Häuptling gehören. Es war höher und weiter als die anderen, und trug auf seiner Spitze einen Strauß von Adlerfedern, welche von dem leichten Winde hin und her bewegt wurden.
Vor demselben saß ein Mädchen und arbeitete an einem Moccassin, welchen sie oben mit einem außerordentlich kunstvollen Posamente von Pferdehaar ausputzte. Der Fuß, für welchen dieser Halbstiefel bestimmt war, mußte klein sein, wenn auch nicht gar so klein und zierlich wie der ihrige, und die offenbare Liebe, mit welcher sie sich ihrer Beschäftigung hingab, ließ vermuthen, daß der spätere Besitzer des Kunstwerkes keine ihr fremde oder gar unangenehme Persönlichkeit sein könne.
Das Mädchen war schön, vielleicht das schönste im ganzen Lagerdorfe, und über ihrer ganzen Erscheinung lag eine Art instinktiven Selbstbewußtseins ausgebreitet, welches bei Indianerinnen nur höchst selten zu bemerken ist. Sie war jedenfalls das Kind des Häuptlings, dem das Zelt gehörte, und die Würde ihres Vaters hatte ihr die reizende Sicherheit ertheilt, die jeder ihrer Bewegungen eigen war.
Jetzt war der Moccassin fertig. Sie stellte ihn neben den andern, welcher bereits vollendet auf ihn geharrt hatte, und erhob sich. Ihr dunkles, großes Auge blickte hinaus in das Weite, und schien etwas bemerkt zu haben, was ihr Interesse erregte. Sie strich sich mit den kleinen, hellbraunen Händchen das reiche, schwarze, weit über die Hüften herabwallende Haar aus der Stirn und beschattete dann das Auge mit der Rechten, um besser sehen zu können.
Ein freudiges Lächeln ging über ihre, nach ihrer Rasse zwar scharf geschnittenen, aber dennoch weichen, vollen Züge. Aber schon nach einer Minute schien es, als ob ein plötzlicher Schreck sie durchzucke. Es war deutlich zu bemerken, daß sie unter ihrem dunklen Teint erblaßte, und beinahe ängstlich hob sich ihr Fuß, um vorwärts zu eilen, dem einzelnen Reiter entgegen, welcher im kurzen Galoppe auf das Lager zugeritten kam.
Er ritt ein Pferd, welches die Bewunderung eines jeden Kenners erregt haben würde, und saß mit einer graziösen Sicherheit auf dem Rücken desselben, als sei er mit ihm aus einem Stücke gegossen. Das büffellederne Jagdgewand, welches er trug, war über und über mit Blut beschmutzt, und von dem linken Arme floß ein Strahl des rothen Lebenssaftes zur Erde nieder.
Auch er hatte das Mädchen erblickt. Sein Auge leuchtete auf, und statt nach einem der äußeren Zelte einzulenken, wie erst seine Absicht gewesen zu sein schien, ließ er sich von seinem Renner in stolzen Lanzaden bis zum Orte tragen, wo sie seiner wartete.
Hier parirte er ihn und stand nach einem gewandten Sprunge in aufrechter Haltung vor ihr.
»Welchen Feind hat Mo-la, die Blume der Comanchen, gesehen, daß ihr Antlitz erbleicht, wie die Savanne im Winter, und ihre Hand zittert, wie der Halm im Morgenwinde?«
»Den Tod,« erwiderte sie.
»Der Tod ist nicht ein Feind des tapfern Kriegers; er reicht ihm nur die Hand, um ihn zum großen Manitou zu führen.«
»Der Tapfere stirbt im Kampfe, aber nicht vom Stoße des Büffels!«
Es glitt ein schneller, finsterer Zug über sein Gesicht.
»Falkenauge stirbt nicht vom Horne des Büffels. Seine Hand ist fest, seine Kugel sicher und sein Messer scharf; der Buffalo erreicht ihn nicht, sondern verendet vor seinen Füßen. Doch die Jäger der Comanchen bekommen das Fieber beim Anblicke der Heerden und sehen nicht, wohin sie ihre Kugeln senden. Sie haben nicht den Büffel getroffen, sondern den Arm ihres Gefährten.«
»Das Leben enteilt mit dem Blute. Falkenauge mag in das Zelt kommen, damit Mo-la ihn verbinde!«
Sie hob die Moccassins vom Boden auf und schritt ihm voran. Er folgte. In dem Verhalten des Mädchens lag eine Gunstbezeugung, deren sich kein Anderer hätte rühmen dürfen. Doch zeigte keine seiner Mienen das Glück, welches er darüber empfand.
Im Innern des Zeltes entblößte er den Arm, in dessen oberen, fleischigen Theil die matte Kugel eingedrungen war, wo sie noch saß. Er zog das Messer aus dem Gürtel und reichte es ihr.
»Mo-la mag das Blei entfernen!«
Eine Indianerin bebt vor dergleichen Arbeiten nicht zurück. Das Mädchen sondirte die Wunde erst durch das Gefühl, indem sie die Finger leise drückend um den Arm legte, und als sie die Lage der Kugel erkannte, versuchte sie, dieselbe mit dem Messer aus dem Fleische zu holen. Dieses Verfahren mußte ihm keinen gewöhnlichen Schmerz bereiten, aber nicht ein Haar seiner
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