Der Waldläufer
Pausen. Es ist ja, als solle man selbst auch geschunden werden!«
»Nachdem ich ihnen als Ziel für ihre Schießübungen gedient habe.«
»Wie wird das angestellt?«
»Sehr einfach! Ich wurde an einen Baum gebunden und diente von Sonnenaufgang bis zum Niedergange ihren Karabinern als Scheibe. Jeder Krieger kam herbei, zielte nach meinem Kopfe und schoß.«
»In den Kopf?«
»Nein, denn sonst lebte ich ja nicht mehr,« versicherte Benito mit möglichstem Ernste. »Sie schossen mit Absicht daneben, um meine Todesangst möglichst zu verlängern. Ich habe auf diese Weise zweihundert und vierundachtzig Flintenschüsse ausgehalten. Ich zählte sie, um mich zu zerstreuen, denn ich langweilte mich fürchterlich.«
»Zweihundert und vierundachtzig! Aber Sennor Benito, ist das auch wahr? Sind es nicht einige Schüsse zu viel?«
»Ich kann keinen einzigen nachlassen!«
»Und Ihr denkt, daß sie heut Jemand gemartert haben?«
»Es ist sehr möglich.«
»Wer mag das gewesen sein?«
»Vielleicht der Bote, welchen Don Estevan nach Cuchillo gesandt hat. Beide sind noch nicht zurück. Es ist möglich, daß Beide gefangen worden sind. Wenn sie uns den Ort nicht verrathen haben, an welchem wir uns befinden!«
»Befürchtet Ihr das?«
»Warum nicht?«
»Und was wird dann geschehen?«
»Sie werden kommen und unser Lager überfallen. Doch das wird ihnen bös heimgezahlt werden, denn wir sind ihnen überlegen.«
»Wie stark werden sie wohl sein?«
»Hier am Gilo zählt eine Horde selten mehr. Aber was ist das? Die Maulthiere hören auf, ihren Mais zu fressen, und horchen!«
Baraja fuhr zusammen.
»Hat dies etwas zu bedeuten?«
»Sicher. Sie wittern eine Gefahr. Doch hat das noch nichts zu sagen. Aber wenn diese Thiere nicht nur das Futter stehen lassen, sondern die Nüstern öffnen und dumpf schnauben und schauern, dann – – –«
»Dann – – –? So redet doch nur!«
»Dann ist der Indianer nahe. Sie wittern ihn so genau, wie sie damals an der Poza die Jaguare und den Puma witterten.«
»Teufel! Es gefällt mir hier in der Apacheria nicht zum Allerbesten. Ich wollte, ich wäre heut an der Poza.«
»Dieser Wunsch kommt zu spät. Aber ich will doch einmal nachsehen, ob vielleicht Etwas um das Lager vorgeht!«
»Er erhob sich. Baraja, den die Erzählungen des alten Vaquero zugleich erschreckten und bezauberten, folgte ihm. Sie krochen unter dem Wagen hindurch und traten hinaus vor die Umschanzung.«
Nichts ließ die Nähe einer Gefahr ahnen. Einer der als Schildwache ausgestellten Reiter kam vorüber.
»Habt Ihr nichts Verdächtiges bemerkt?« frug Benito.
»Nein. Vorhin glaubte ich einmal, ein Pferdegewieher zu hören, welches aus einem der Thälchen da drüben zu kommen schien, doch ist alles ruhig geblieben, und ich habe mich ohne Zweifel getäuscht.«
Die beiden Männer kehrten zu ihrem Platze zurück, um ihre Unterhaltung fortzusetzen. Benito schien nicht beruhigt zu sein; er beobachtete die Thiere genau und sah sich bald wieder veranlaßt, zu rufen:
»Seht doch die Thiere an! Sie hören abermals auf zu fressen, und horchen.«
»Wenn sie nur nicht anfangen, zu schauern und dumpf zu schnauben,« meinte Baraja.
»Vielleicht thun sie dies auch noch. Jetzt aber erlaubt, daß ich mich in meine Serape hülle und ein wenig schlafe. In der Wüste, wo man keinen Augenblick sicher ist aufgeweckt zu werden, soll man den Schlaf nicht versäumen!«
Er wickelte sich ein und legte sich nieder.
Baraja that ebenso und versuchte, zu schlafen. Es gelang ihm nicht. Seine Phantasie, die ihm tausend schreckliche Bilder vorzauberte, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.
Da erklangen durch die stille Nacht Flintenschüsse aus der Gegend des Flusses her. Baraja stieß Benito an.
»Man schießt noch. Hört Ihr es?«
»Ja. Uns gilt es nicht; darum wollen wir uns nicht darum kümmern, wen sie dort abschlachten wollen!«
Er stand im Begriffe, seinen Mantel wieder über die Augen zu ziehen, als eines der Saumthiere unruhig wurde. Er richtete den Kopf empor und lauschte.
»Habt Ihrs gehört, Sennor Baraja?«
»Ganz genau. Es schnaubt dumpf, und wenn ich mich nicht irre, so schauert es auch!«
»Die rothen Teufel streifen in der Nähe herum.«
Da erklang draußen ein Alarmruf. Ein Reiter kam mit verhängtem Zügel herbeigaloppirt, und in der Ferne ließ sich Wiehern und Pferdegetrappel hören.
»Es ist Cuchillo!« rief der Vaquero.
»Zu den Waffen! Zu den Waffen!« schrie Cuchillo zu gleicher Zeit und schoß auf seinem
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