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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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morgen früh machen. Heute Abend will ich mit dir einfach nur am Tisch sitzen, reden und Muße haben.«
    »Einverstanden! Ein Vorschlag, der meinem Hang zur Bequemlichkeit durchaus entgegenkommt. Meinst du, dass wir von hier fliehen können?«
    »Schwer zu sagen.« Vitus stellte Teller und Essenskübel fort. Dann kümmerte er sich um die Glut im eisernen Becken. Er legte ein paar Kohlen nach, damit das Feuer bis zum anderen Morgen durchbrannte. »Wir müssen da draußen jeden Fußbreit absuchen, besonders in der Folterkammer.«
    »Wieso in der Folterkammer?«
    »Weißt du, was eine Eiserne Jungfrau ist?«, fragte Vitus dagegen.
    »Eine Eiserne Jungfrau? Aber ja, in La Coruna hatte ich mal ein Mädchen, das wurde von allen so genannt.« Der Magister grinste. »Aber Spaß beiseite, ich habe keine Ahnung.«
    »Vielleicht erfahren wir es morgen früh. Neben der ersten Folterkammer gibt es offenbar eine zweite, vier Stufen tiefer. Dort soll sich die Dame aufhalten.«
    Vitus hatte seine Aufräumarbeiten beendet: »Ich denke, wir schlafen erst einmal. Du kriegst das Bett.«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage! Das Bett nimmst du, zumindest, solange du diese Verletzungen hast. Ich hau mich auf den Boden, bin's schließlich gewohnt.«
    Vitus lächelte: »Wenn du so ein Gesicht ziehst wie jetzt, ist mit dir nicht zu reden. Gut, dann nehme ich das Bett. Wir können uns später ja ablösen.«
    »Ich wusste, dass ich dich überzeugen kann«, kicherte der kleine Gelehrte und machte es sich raschelnd am Boden bequem.
    Vitus blies die Kerze aus und legte sich ebenfalls hin. Zu seiner Freude konnte er ohne große Schmerzen auf dem Rücken liegen. »Schlaf gut, Magister.«
    »Gute Nacht, du Unkraut!«
    Beim ersten Licht des neuen Tages erhoben sie sich.
    »Nach dir«, grinste der Magister, als sie auf den Gang hinaustraten. Vitus blickte gespannt nach links. Wie nicht anders zu erwarten, hatte Nunu die Tür am Ende zugesperrt.
    Da war kein Durchkommen.
    Der Gang selbst wies einige vergitterte Fenster auf, hinter denen der Himmel ein erstes Blau zeigte. Vitus lauschte. Ein schwaches, kaum vernehmbares Rauschen drang an sein Ohr. Es erinnerte ihn an Blätter im Wind, aber er wusste, dass keine Bäume in der Nähe des Gefängnisses standen. Das muss Wasser sein, schoss es ihm durch den Kopf. Richtig, der Fluss! Irgendwo am Gebäude strömte der Pajo vorbei. Normalerweise wäre das Rauschen kaum hörbar gewesen, aber so früh am Morgen waren die Geräusche der Stadt noch nicht erwacht. Der Magister musterte mit Kennerblick die Fenster.
    »Schweres Gittereisen«, stellte er fest, »da ist nichts zu machen. Es sei denn, der heilige Franz von Assisi verwandelt uns in eines seiner Vögelein.«
    »Warte mal.« Vitus ging noch einmal zurück in die Zelle und kam kurz darauf wieder. In der einen Hand hielt er einen der tönernen Krüge, in der anderen eine brennende Kerze. »Der Krug ist nicht ideal zum Transport von Glut, aber besser als gar nichts.«
    »Du denkst an alles.«
    »Nimm.« Vitus drückte dem kleinen Gelehrten den Krug in die Hand. Dann wandte er sich nach rechts und schritt mit der Kerze voran um die Ecke des Gangs. Vor ihnen lag die elfstufige Treppe, die zur Folterkammer führte. Gebückt tasteten sie sich die steinernen Stufen hinab. In der Kammer trat Vitus hinter den Richtertisch, nahm die Fackel von der Wand und tauchte sie in den Krug. Es gab ein brutzelndes Geräusch, dann züngelte die Flamme hoch. Augenblicklich wurde es hell. Zu seiner Freude erkannte Vitus, dass Nunu die alte Fackel gegen eine neue ausgetauscht hatte. Ohne es zu wissen, hatte er dafür gesorgt, dass sie bei ihrer Suche genügend Licht haben würden.
    „Komm.« Die Fackel hoch vor sich herhaltend, ging er weiter, kam zur vierstufigen Treppe, zögerte kurz und stieg dann entschlossen hinunter ins unbekannte Dunkel, unten angelangt erblickten sie eine Kammer, die etwa ebenso eingerichtet war wie die obere, aber offenbar keine Folterinstrumente enthielt. Nur rechts hinten in der Ecke war ein Schmiedeofen aufgemauert. Darüber befand sich ein Rauchabzug und davor eine Werkbank.
    »Beim Blute Christi!« Unverhofft krallten sich die Finger des Magisters in Vitus' Arm. »Dahinten! In der linken Ecke!« Ein totes Lächeln stand dort im Raum. Es kam aus einem Mund, der so schmal war wie ein Messerrücken. Er war der Mittelpunkt eines madonnenhaften Gesichts, dessen Züge sich im unruhigen Licht der Fackel bewegten, während der Körper darunter sich still wie

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