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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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beschlagnahmt, was ein großes Gezeter unter dem nordspanischen Judentum zur Folge hatte. Von den Morisken, die sich als falsche Mauren erwiesen, weil sie zum Scheine nur dem allein selig machenden Glauben beitraten, erhält die Staatskasse weitere 87991 Dublonen. Die Protestanten endlich sind in dieser Gegend nur spärlich vertreten und steuern neben einigem Landbesitz bescheidene 1478 Dublonen bei. Dennoch könnt Ihr mit summa summarum 250811 Dublonen rechnen, die noch vor Wochenende unter strenger Bewachung nach Madrid abgehen.

    Der Schreiber verschwieg an dieser Stelle, dass er zuvor für die Kirche - und natürlich auch für sich selbst - einen Gutteil der Werte vereinnahmt hatte. Schließlich waren schon in der Heiligen Schrift, im Evangelium des Matthäus, Kapitel 22, Vers 21, die Worte Jesu zu lesen: So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.
    Der Kirche als Vertreterin Gottes und ihm selbst als Vertreter der Kirche stand somit ein Anteil zu. Ein nicht zu kleiner, wie sich von selbst verstand. Dennoch war es klüger, diese Tatsache unerwähnt zu lassen. Wieder wurde die Feder abgesetzt und neu eingetaucht.
    ...ferner darf ich Euer Majestät mit dem allergrößten Respekt mitteilen, dass, nachdem Ihr die Gnade hattet, meine Person als Nachfolger des Domikanerpaters Gonzalode Ignazio zu bestätigen und mich zum alleinigen Großinquisitor Kastiliens zu ernennen, ich mich unverzüglich zu einem Marktflecken namens Dosvaldes begab, um die Letzten, hier im Gefängnis einsitzenden Ketzer mit ultimativer Strenge abzuurteilen. Erfreulicher Weise stellte es sich heraus, dass drei jüdische Kaufleute unschuldig waren. Es sind die Brüder Habakuk,David, und Solomon aus der Familie Hebron.
    Das Oberhaupt dieser Familie, ein gewisser Jakob Hebron, lebt mit dem Rest der Sippe auf der Baleareninsel Menorca, von wo aus er der Mutter Kirche eine beachtliche Spende überwiesen hat. Ich darf mir untertänigst erlauben, Euer Majestät Schatzkammer den vorgeschriebenen Teil davon zu übergeben.
    Zur Kenntnisnahme aller von mir konfiszierten und erhaltenen Werte darf ich Euer Majestät allergnädigste Aufmerksamkeit auf die beigelegte Liste lenken.
    Was meine weiteren Pläne anbetrifft, so erlaube ich mir, Euer Majestät mitzuteilen, dass die mir übertragene Aufgabe der Vernichtung des Unglaubens in Nordkastilien bis auf zwei, drei Fälle als abgeschlossen betrachtet werden darf, und ich hoffe auf Eure volle Zufriedenheit und Gunst. Ich gedenke den Marktflecken, in dem ich diese Zeilen schreibe, morgigen oder übermorgigen Tages zu verlassen und meinen Weg nach Santander zu nehmen, um dort den Kampf gegen die Häresie aufzunehmen, respektive zum endgültigen Abschluss zu bringen.
    Ich bete um Euer Majestät Gesundheit und Wohlergehen und bin bis zum letzten Atemzuge
Euer pflichteifrigster Diener
Mateo de Langreo y Nava Bischof von Oviedo

    Die Feder wurde hochgenommen und so geführt, dass sie einen sauberen Strich unter den Namen setzte. Dann fügte sie Ort und Datum hinzu:

    Dosvaldes, am 3. August, Anno Domini 1576

    Schließlich wurde sie abgelegt, von einer Hand, an deren Mittelfinger ein schwerer Rubinring saß. Die Hand gehörte einem Mann, der in keiner Hinsicht bemerkenswert war. Sein Gesicht wirkte auf andere so durchschnittlich, dass niemand es zu beschreiben vermocht hätte. Seine Stimme hielt sich, einem Singsang gleich, stets auf einer Höhe. Über seine Zähne ließ sich nichts sagen, denn er lächelte nie. Wenn überhaupt etwas an ihm hervorstach, dann waren es seine abgezirkelten, eckigen Bewegungen. Er wirkte wie eine Marionette - und er war es auch. Mit knappen Bewegungen streute er Sand über seinen Namenszug, um die Tinte zu löschen. Sein Auge verweilte dabei für einen Augenblick auf der mustergültig gelungenen Unterschrift. »Mateo de Langreo y Nava ...«, murmelte er kaum hörbar. Stolz durchfuhr ihn dabei, denn vor dreiundvierzig Jahren hatte er als Tagelöhnersohn das Licht der Welt erblickt, und heute war er ordentlich geweihter Bischof der Diözese Oviedo. Ein Aufstieg, den er nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken hatte, dass er niemals Fehler machte - oder besser: seiner Fähigkeit, dafür zu sorgen, dass andere sie machten. Mateo blickte auf. Er befand sich im Sitzungssaal der Bürgermeisterei von Dosvaldes, einem einfachen, mit Fahnen verhängten Raum, der den Ausdruck Saal keinesfalls verdiente. Obwohl es später Vormittag war, wirkte das Zimmer düster. Der Tisch, an

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