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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Bischof.«
    »Und sorgt dafür, dass nicht wieder so ein Bauernfraß aufgetischt wird wie gestern.« »So soll es sein.« Schiefhals grinste hässlich und schob sich gemächlich zwischen den Posten nach draußen.

    »Der Wein ist köstlich und süß, wahrscheinlich eine andalusische Traube.« Mit einer automatischen Bewegung betupfte Bischof Mateo seine Lippen mit einer Serviette. Ein kleiner, rosafarbener Fleck verblieb im Tuch. Seine Form war unregelmäßig und daher unkorrekt. Missmutig betrachtete er ihn. »Bedauerlicherweise war der Wein das einzig Gute an dem Mahl.« »Wieso, mein Bischof?« Schiefhals kaute hingebungsvoll mit offenem Mund; die Speisen darin wurden sporadisch sichtbar. »Ihr solltet nicht so anspruchsvoll sein.« Dezent versuchte er, ein Rülpsen zu unterdrücken, was ihm allerdings fehlschlug.
    »Ich wäre Euch dankbar, Pater Enrique, wenn auch Ihr Euer Mahl langsam beenden könntet. Die Gefahr des Verhungerns dürfte ja kaum mehr bestehen.«
    Die mahlenden Kiefer von Schiefhals blieben stehen.
    »Har-harhar!«, lachte er dann. »Mein Bischof hat einen Witz gemacht!« Schnaufend schob er ein halbes Dutzend Teller und Platten von sich, auf denen so schmackhafte Speisen wie geräucherter Schinken, Sülze, Fasan, Ziegenkäse, Fladenbrot und Obst gelegen hatten. Von alledem war nichts mehr zu sehen.
    »Die sechs Gläschen des von Euch gepriesenen Andalusiers waren mir beim Einspeicheln sehr zu Hilfe!
    Der beste Grund, ein paar weitere zu trinken.« Sogleich setzte er sein Vorhaben in die Tat um. Sein Adamsapfel, der sich im Takt seiner Schlucke bewegte, wanderte emsig auf und nieder. Er trank mit weit zurückgelegtem Kopf. Wie ein Verdurstender!, dachte Mateo angeekelt. Inzwischen hatte eine hübsche Magd damit begonnen, den Tisch abzuräumen. Doch Schiefhals, sonst allzeit bereit, sich um das schöne Geschlecht zu kümmern, nahm sie nicht wahr, so sehr wurde seine Aufmerksamkeit von etwas anderem gefesselt: Sein sprunghaftes Interesse galt einer Fliege, die flink auf einem Tellerrand hin-und her kroch und ihren Rüssel in die Speisereste senkte. Langsam hob Schiefhals die halb geöffnete Hand, dann wischte er mit blitzartiger Geschwindigkeit über das Insekt hinweg. Der Tellerrand war leer. Sein Ohr näherte sich der Faust, in der es summte. Langsam drückte er zu. Das Summen setzte aus. Sofort lockerte er den Griff. Das Summen setzte wieder ein. Seine Augen leuchteten. Abermals drückte er zu. Lockerte wieder. Drückte und lockerte ... Endlich war er des Spiels müde; er presste die Faust zusammen, bis es knisterte. Dann ließ er das Insekt achtlos fallen.
    »Pater Enrique!«
    »Ja, mein Bischof?«
    »Schluss jetzt mit dem Unsinn. Ich möchte die letzten Verhöre hinter mich bringen.« Mateo kramte in seinen Papieren, wobei er darauf achtete, dass sie nicht in Unordnung gerieten. »Meinen Unterlagen zufolge sitzen noch drei Häretiker im Kerker ein: Es handelt sich um einen Mann namens Ramiro Garcia, einen Jüngling namens Vitus, Nachname unbekannt, und einen Landsknecht, der sich, wartet ...« Er blätterte mit spitzen Fingern. »Ja, hier, der sich Martinez nennt. Die beiden Erstgenannten wurden bereits der Ketzerei angeklagt, sie waren aber nicht geständig ...« Wieder unterbrach er sich und nahm Einsicht in die Papiere. »Seltsamerweise, denn sie wurden gefoltert.«
    »Wie Ihr meint, mein Bischof.« Enrique, der sich mittlerweile wieder dem Wein widmete, hob die linke Gesäßbacke und ließ einen Wind fahren.
    »Ja, das meine ich.« Mateo spürte, wie erneut Ärger in ihm aufwallte, doch er war nicht der Mann, der unkontrollierten Gefühlen nachgab. Er wusste, dass er Enrique mit einem einzigen Befehl einkerkern lassen konnte, aber er wusste nicht, was er anschließend von dessen Familie zu erwarten hatte. Bevor er handelte, würde es klug sein, sich über die genauen verwandtschaftlichen Bande Enriques zu informieren. Sollte tatsächlich Habsburger Blut in seinen Adern fließen, wäre seine Person natürlich unantastbar, sollte das aber nicht der Fall sein ...
    »Bevor es zur Verhandlung kommt, möchte ich mich auf die Fälle vorbereiten, sicher habt Ihr weitere Informationen über die Personen gesammelt«, sagte Mateo laut. »Ramiro Garcia nennt sich selbst Magister, er stammt aus La Corufia und pflegte dort Umgang mit einem Alchemistenketzer namens Conradus Magnus, der verbrannt wurde. Mich würde interessieren, wo und wann Garcia ebenfalls ketzerisches Alchemistenwissen verbreitet hat.«

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