Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
Vom Netzwerk:
Gelehrten kräftig die Hand. »Vitus' Freunde sind auch meine Freunde. Aber genug geredet! Wird Zeit, dass wir uns verdünnisieren. Am besten, wir verschwinden erst mal im Stall. Dann sehen wir weiter.« Kurz darauf hatten sie sich in das Nebengebäude der Herberge geschlichen. Orantes schloss leise das Tor. »Kein Licht! Besser, wir warten, bis unsere Augen sich an das Dunkel gewöhnt haben.«
    Nach ein paar Minuten deutete er zum rückwärtigen Teil des Stalls, wo acht oder neun Pferde standen: »Da hinten gibt es eine kleine Tür. Von dort führt eine Stiege in den ersten Stock der Herberge. Die Treppe scheint nie benutzt zu werden, weil sie schmal und steil ist, genau richtig also für unsere Zwecke. Oben befindet sich das Zimmer von Abt Gaudeck.«
    »Wohnen Pater Thomas und Pater Cullus auch hier in der Herberge?«, fragte Vitus
    »Sie schlafen mit im Raum des Abtes. Der Ehrwürdige Vater wollte Geld sparen und meinte, dass es für ein paar Nächte auch so gehen würde. Immerhin hat er noch ein zweites Zimmer spendiert, für mich und meine Jungen.«
    Inzwischen stand Orantes vor der kleinen Tür. »Wenn wir die Stiege hinaufklettern, wird es infernalisch quietschen, ob wir wollen oder nicht. Ich schlage deshalb vor, wir treten extra fest auf und singen ein paar schmutzige Lieder, dann glauben die Leute, ein paar Betrunkene kämen zurück.«
    »Das Absingen schmutziger Lieder ist meine Spezialität«, sagte der Magister unternehmungslustig. »Ein Überbleibsel aus meiner Studentenzeit.«
    »Dann los!«, befahl Orantes.
    Sie gaben sich alle Mühe, laut und unflätig zu singen, während sie die Treppe hochstapften. Prompt meldete sich hinter der einen oder anderen Tür eine ärgerliche Stimme, doch keiner der Gäste wagte sich auf den Gang.
    »Ich liebe den Wein,
    beim Mondenschein ich liebe die Weiber,
    und ihre Leiber...«
    Der Magister sang am lautesten, mit lallender Zunge, während sie den Flur entlangtorkelten. Schließlich hielt Orantes vor einer Tür und klopfte kräftig.
    Kurz darauf erklang die Stimme von Gaudeck:
    »Herein!« Schnell schlüpften die drei in den Raum. Gaudeck und Thomas blinzelten ihnen im schwachen Schein eines Öllämpchens entgegen, noch nicht erkennend, wer sie im Schlaf gestört hatte. Dann aber fuhren sie von ihrem Lager hoch.
    »Vitus!«, rief Abt Gaudeck, »dem Allmächtigen sei Dank!« Er sprang aus dem Bett, wurde gewahr, dass er nur ein Nachtgewand trug, und streifte sich kurz entschlossen seine Kutte darüber. »Mit allem hätte ich gerechnet, aber damit nicht!«
    Es war eine seltsame Truppe, die sich am Nachmittag des 5. August südwestlich von Dosvaldes durch die dichten Wälder fortbewegte. Voran schritt ein stämmiger Bauer, ihm folgten fünf Reiter, dahinter trottete ein Maultier, und den Schluss bildeten zwei Jungen, die wie ein Ei dem anderen glichen. Sie sicherten die Gruppe nach hinten ab.
    »Wie weit ist es noch bis zu der Scheune, von der Ihr heute Morgen spracht?«, fragte Abt Gaudeck nach vorn. Er saß auf einem stattlichen Zelter, während Thomas und Cullus einen Braunen ritten. Den beiden Männern dahinter hatte man die Gepäckpferde zur Verfügung gestellt, nachdem die Lasten auf die übrigen Reiter verteilt worden waren. »Eine knappe Meile, Ehrwürdiger Vater«, antwortete Orantes. »Im Übrigen kann ich Euch beruhigen: Es ist unwahrscheinlich, dass wir jemandem begegnen, hier wohnt niemand.« Er war stehen geblieben und schritt nun, gleichauf mit Gaudeck, wieder aus.
    »Wir sollten die Nacht in der Scheune verbringen«, sagte der Abt nach einer Weile. »Sie liegt einsam, wie Ihr erzähltet, ist regendicht und ungenutzt. Genau das, was wir brauchen.«
    »Komfortabler wäre es für Euch auf meinem Hof.«
    »Nein, mein lieber Orantes, und wenn Ihr es noch zehnmal anbietet, das kommt nicht in Frage. Wir wollen Euch und Eure Familie nicht in Gefahr bringen.«
    »Wie Ihr meint, Ehrwürdiger Vater.« Bei manchen Dingen hatte Gaudeck einen Dickschädel aus Granit.
    »Vielleicht könntet Ihr stattdessen ein paar Erkundigungen einholen. Ich möchte wissen, ob man uns verfolgt.«
    »Das wird sich machen lassen.«
    Die Stimme von Pater Thomas meldete sich von hinten:
    »Nach allem, was ich feststellen konnte, ist man uns nicht auf der Spur. Warum auch? Wir sind Mönche, die friedlich ihres Wegs ziehen, niemand weiß, dass es sich bei zweien von uns um Ausbrecher handelt.«
    »Zumal keiner sie bemerkt hat, als sie mit uns die Herberge verließen«, kicherte Cullus. »Und

Weitere Kostenlose Bücher