Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
Vom Netzwerk:
gerufen!«
    »Das Maultier?«, fragte Cullus, mit vollen Backen kauend. Die Nachricht schien ihm nicht sonderlich interessant. Geschickt griff er mit den vier Fingern seiner linken Hand nach der Pastete, während seine Rechte den Weinbecher ansetzte. Er nahm einen tiefen Schluck und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. Dann bemerkte er, dass Orantes sich Sorgen machte. Sein gutes Herz regte sich: »Du solltest nicht so unruhig sein, mein Sohn. Gewiss, der heutige Tag war nicht von Erfolg gekrönt, wenn ich daran denke, dass es uns nicht gelungen ist, Vitus aus den Fängen der Inquisition zu befreien. Aber ich versichere dir, wenn der Allmächtige es will, wird das spätestens morgen der Fall sein.«
    Er legte die ganze Überzeugungskraft, zu der er fähig war, in seine Worte. Der treue Landmann brauchte nicht zu wissen, dass er, Cullus, selbst seine Zweifel hatte.
    »Warum machst du es nicht wie die anderen?«, fragte er gutmütig. »Sie sind auf ihren Zimmern, haben sich Gott befohlen und schlafen bereits. Kommt Zeit, kommt Rat.«
    Er schob sich das Stück Wildpastete in den Mund.
    »Ich verstehe Euch nicht, Pater Cullus, wie es Euch angesichts des heutigen Tages noch schmecken kann.«
    »Ach, mein Sohn«, Cullus lächelte sanft. »Wenn ich fasten würde, käme Vitus doch auch nicht frei, oder? Man soll das Leben nehmen, wie es ist. Wir sind ohnehin alle sündige Kinder im Herrn.« Er schlug mit der Hand, die mittlerweile das letzte Stück Pastete ergriffen hatte, flüchtig das Kreuz. »Te deum laudamus.«
    »Wie Ihr meint.« Orantes erhob sich. Er war leicht verstimmt, weil Cullus beharrlich »mein Sohn« zu ihm sagte, dabei war der Mönch im gleichen Alter wie er. Zudem ärgerte er sich über sich selbst, weil er dem ganzen Unterfangen nicht gelassener gegenüberstand. Aber er konnte nun mal nicht aus seiner Haut heraus. Ein bestimmtes Gefühl sagte ihm, dass heute Nacht noch etwas passieren würde.
    Er besann sich: Der Schrei Isabellas hatte so geklungen, als käme er von der Straße, doch eigentlich hätte das Maultier auf der anderen Seite der Herberge im Stall stehen müssen. Irgendetwas stimmte da nicht.
    »Ich gehe mal nachsehen, was da los ist«, sagte er und verschwand nach draußen in die Dunkelheit.
    »Tu, was du nicht lassen kannst, mein Sohn«, antwortete Cullus kauend.
    Orantes entdeckte das Maultier in der Nähe der Haupttür. Es schnaubte geräuschvoll und trat ein paar Mal mit den Vorderhufen aufs Pflaster.
    »Isabella«, sagte er scheinbar ruhig, »wo treibst du dich so spät noch herum? Komm zurück in den Stall.«
    Während er auf das Tier einsprach, war es ihm, als hätte er aus dem Augenwinkel zwei Gestalten gesehen. Er erschrak innerlich. Das Herz klopfte ihm zum Zerspringen. Die Zeiten waren unsicher, besonders nachts trieb sich allerhand Diebesgesindel auf den Straßen herum. Seine Hand fuhr zum Gürtel, in dem ein langes Messer steckte. Obwohl er gut damit umzugehen wusste, hoffte er, es nicht benutzen zu müssen.
    »Braves Mädchen«, sagte er laut, als das Maultier folgsam hinter ihm hertrottete. Gleich würde er den Stall erreicht haben ...
    »Carlos Orantes?« Jemand rief seinen Namen!
    Der Landmann blieb stehen. Das Maultier, noch im Gehen begriffen, gab ihm einen Stoß nach vorn. Orantes stolperte. Instinktiv duckte er sich hinter dem Körper des Tiers.
    »Wer will das wissen?«, fragte er und versuchte, seiner Stimme einen selbstsicheren Klang zu geben.
    »Carlos Orantes, bist du es?«, erklang die Stimme abermals, diesmal drängender. »Ja doch, in drei Teufels Namen!«
    »Gott sei gelobt und gepriesen.«
    Orantes sah, wie sich zwei Schatten von der Hauswand lösten und rasch auf ihn zukamen. Seine Hand packte das Messer, man konnte nie wissen. Doch dann verhielt er mitten in der Bewegung: »Bei der Regel der Heiligen Mutter, bist du das, Vitus?«
    »Pssst, nicht so laut.« Vitus legte beschwörend den Finger an die Lippen. »Ja, ich bin's.«
    »An mein Herz, Junge!« Orantes gab sich alle Mühe, seine Freude nicht hinauszuschreien. Seine Arme umfingen den Jüngling und drückten ihn mit der Kraft einer Riesenschlange. »Bist du den verfluchten Inquisitoren also entwischt! Ich kann's noch gar nicht glauben!«
    Vitus befreite sich mühsam. »Darf ich dir einen Freund und Leidensgefährten vorstellen? Magister, komm her.«
    Der kleine Mann trat zögernd heran.
    »Das ist der Magister«, stellte Vitus vor, »und das ist Carlos Orantes.«
    Der Bauer schüttelte dem kleinen

Weitere Kostenlose Bücher