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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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der Stein ein Symbol gegen die Unfreiheit ist, und Unfreiheit begegnet man bekanntlich überall auf der Welt.«
    Er legte den Ziegel liebevoll beiseite. »Nicht nur ein Kerkerinsasse ist unfrei, meine Freunde«, sagte er, »ein Leibeigener ist es genauso, ebenso wie ein Galeerensklave oder ein Soldat, von dem man Kadavergehorsam verlangt, obwohl er in den sicheren Tod geschickt wird. Ja, selbst ein Eheweib ist es, wenn sie einen Mann hat, der ihr den Mund verbietet. Unfreiheit hat viele Gesichter!« Seine Hand umschloss den Stein. »Er wird Vitus und mich begleiten und uns stets daran erinnern, die Unfreiheit zu bekämpfen, wann immer wir ihr begegnen. Nicht wahr, Vitus?« »Ja, Magister.« Vitus legte seine Hand dazu.
    »Wenn ihr zusammenhaltet«, nickte Gaudeck, »wird Gott der Allmächtige euch seine Hilfe nicht versagen.« Und Fortuna auch nicht!«, nickte Pater Cullus freundlich.
    »Fortes fortuna-adiuvat!«
    Gaudeck räusperte sich: »Glück werdet ihr ab morgen brauchen, denn unsere Wege müssen sich trennen. Thomas, Cullus und ich werden den Heimweg nach Campodios antreten. Die Arbeit, die dort auf uns wartet, duldet keinen Aufschub.« »Und ich hatte gehofft, wir könnten noch etwas länger zusammenbleiben.« Vitus stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Doch der Abt hatte natürlich Recht. »Und was machen wir zwei jetzt?«
    Der Magister gab sich wie immer optimistisch: »Ganz einfach, wir bleiben hier und spielen für eine Weile toter Mann. Wenn Gras über die Sache gewachsen ist, sehen wir weiter.«
    »Nein, das werdet ihr nicht!«, widersprach plötzlich Orantes. »Der Ehrwürdige Vater und ich haben bereits gestern über dieses Problem gesprochen; wir waren uns einig, dass ihr nicht hier bleiben könnt. Allein schon, weil einem Hungrigen die gebratenen Tauben nicht in den Mund fliegen. Ihr werdet deshalb für die nächsten Wochen Gast in meinem Hause sein.« »Hurra!« Die Zwillinge stießen sich an. »Die daheim werden staunen!«
    »Haltet die Klappe«, wies Orantes seine Jungen zurecht, aber man sah, dass er es nicht böse meinte. »Ihr könnt das Angebot ruhig annehmen«, wandte er sich abermals an die Freunde, »auf dem Hof gibt es genug zu tun.«
    »Also gut.« Nach kurzem Zögern gab Vitus nach.
    »Magister, bist du auch einverstanden?«
    »Natürlich, aber ich warne dich, Orantes: Ich bin ein starker Esser!«
    »Gut, dann wäre das ja erledigt!«, freute sich der Landmann. »Darauf hätte ich gern noch einen Becher getrunken.«
    »Für heute ist es genug«, entschied Abt Gaudeck.
    »Lasst uns das Nachtgebet sprechen und schlafen gehen. Morgen wird ein schwerer Tag.«
    In der ersten Dämmerung schon war die Gruppe auf, packte ihre Habe zusammen und versammelte sich im Halbkreis um Gaudeck.
    »Ich will keine großen Worte machen, meine Freunde«, sagte der Abt mit ernster Stimme. »Was zu sagen war, wurde gesagt. Was zu tun ist, muss getan werden. Wohlan denn ...« Eine Träne stahl sich in seine Augen. Er wischte sie fort und schlug das Kreuz. Dann faltete er die Hände:
    »Der Herr segne euch und behüte euch,
    der Herr führe euch auf den rechten Weg
    und gebe euch Kraft,
    der Herr lasse sein Antlitz leuchten über euch
    und schenke euch Frieden,
    auf dass es euch an nichts mangele.
    Amen.«
    Er winkte sie heran. »Kommt her zu mir, meine Söhne!« Vitus, der Magister, Orantes und seine Jungen traten näher. Gaudeck schluckte kurz und umarmte sie.
    »Wenn es dem Herrn gefällt, sehen wir uns wieder.«
    Als auch Thomas und Cullus sich herzlich verabschiedet hatten, stiegen die Gottesmänner auf ihre Pferde. Doch bevor sie losritten, wandte Gaudeck sich noch einmal um: »Fast hätte ich's vergessen.« Er griff in seine Kutte und holte einen Lederbeutel hervor. »Hier, Vitus, nimm.«
    »Was ist das, Ehrwürdiger Vater?«
    »Das sind acht Silberpesos und sechzehn Reales, Letztere setzen sich in ihrem Wert aus Achtern, Vierern und Maravedis zusammen, damit ihr kleines Geld für den Tagesbedarf habt. Wenn Pater Cullus sich nicht verzählt hat, hältst du insgesamt zehn Pesos in den Händen. Ihr werdet das Geld gut brauchen können.«
    »Das kann ich nicht annehmen.«
    »Das kannst du, und das wirst du. Die Brüder und ich sind uns einig, dass ihr viel eher eine Reisekasse braucht als wir. Deus vobiscum, meine Söhne! Der Herr sei mit euch!« Er riss den Kopf seines Zelters herum und ritt mit den Brüdern davon, ohne sich noch einmal umzublicken.
    »Worauf warten wir noch«, sagte Orantes nach

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