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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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»Hat jemand ein paar Holzbälle?«
    »Holzbälle?« Die Kleinen verstanden nicht. »Ihr habt richtig gehört. Bälle aus Holz.« Kurz darauf hielt er drei Kugeln in der Hand. »Und nun passt mal auf.« Geschickt warf der kleine Mann sie nacheinander in die Luft und jonglierte mit ihnen. Die Kinder starrten wie gebannt auf seine Hände. »Kann einer von euch das auch?«, fragte er nach einer Weile. Sie schüttelten die Köpfe. »Möchtet ihr, dass ich es euch beibringe?« Die Antwort war ein Jubelschrei.
    »Gut, aber erst wird gearbeitet. Wenn ich mit euch zufrieden bin, übe ich nach der Stunde mit euch, sonst nicht. Ist das klar?« Sie nickten heftig und blickten ihn erwartungsfroh an.
    »Komm, Gago, mein Kleiner«, sagte Ana sanft zu ihrem Stotterkind, »wir gehen zusammen in die Küche und gucken mal, ob sich nicht etwas Leckeres für dich findet.«
    »Ha-ha-hab k-k-k-keinen Hu-hu-hu-hu-hunger.« Der Junge drehte sich um und wollte nach draußen in den Hof.
    »Wo willst du denn hin, Gago?« Er zuckte mit den Schultern und blickte unglücklich. »Ich weiß etwas! Du könntest gleich das Mittagessen aufs Feld tragen, vier Portionen, für deinen Vater, Vitus und die Zwillinge, willst du das?« Gago schniefte und nickte.
    »Gut.« Ana schöpfte ein großes Kochgeschirr mit einer deftigen Gemüsesuppe voll, verschloss es sorgfältig und gab es ihrem Jüngsten. »Ist das auch nicht zu schwer?«
    »N-n-nö.«
    »Dann lauf, und sag denen draußen, sie sollen nicht so spät heimkommen.« »Hm-m-mja.«
    Sorgenvoll blickte Ana dem kleinen Jungen nach, wie er den schmalen Weg entlangstapfte, der hinaus zu den Feldern führte.
    »Es sieht so aus, Vitus, als sollten wir dieses Jahr die dritte gute Ernte in Folge bekommen.« Orantes deutete hinüber zu einem seiner Felder, auf dem der Dinkel goldgelb heranreifte. »Und das, obwohl der Winter sich besonders lange gehalten hat.«
    Vitus spielte mit der Schneide der Hacke, die er den ganzen Morgen benutzt hatte. Er, Orantes und die Zwillinge saßen am Wegrand und warteten auf das Mittagessen. Sie waren erschöpft und hungrig, denn sie hatten sich den ganzen Morgen mit dem Urbarmachen eines weiteren Feldes beschäftigt, einer schweren Arbeit, die Ströme von Schweiß kostete. Obwohl Vitus' Hacke scharf und neu war, hatte er nur unter großen Schwierigkeiten die zähen Wurzeln des überall wuchernden Gestrüpps heraushauen können, und er war dankbar gewesen für Antonios und Lupos tatkräftige Hilfe. Orantes hatte währenddessen mit Pferd und Wagen die großen Feldsteine an den Rand gekarrt.
    »Eine gute Ernte? Das wird auch den Grundbesitzer freuen«, antwortete Vitus.
    »Don Alvaro? Sicher. Er ist zwar wie alle Hidalgos und achtet mit Argusaugen darauf, dass er nicht übervorteilt wird, aber insgesamt gesehen ist er nicht der Schlechteste. Du musst wissen, dass seine und meine Familie sich schon seit vielen Generationen kennen. Der Standesunterschied wird dadurch natürlich nicht ausgeräumt, aber vieles ist möglich, an das sonst nicht im Traum zu denken wäre.«
    »Was denn zum Bespiel?«
    »Nimm das Pferd, das ich in diesem Jahr anspannen kann, es ist ein Wallach, den ich Caballo nenne. Caballo gehört Don Alvaro, er hat ihn mir gegen ein geringes Entgelt für diesen Sommer überlassen. Welche Erleichterung es bringt, wenn man nicht selbst den Steinekarren ziehen muss, kannst du dir denken, vom Pflügen ganz zu schweigen. Wenn also die Ernte gut wird, und der Herr möge meine Bitte erhören, fällt es mir nicht allzu schwer, meine Pacht mitsamt der Leihgebühr für das Pferd zu bezahlen.«
    »Und wenn die Ernte nicht gut ausfällt?«
    »Dann hungern wir im Winter, schlachten unser letztes Vieh und hoffen auf bessere Erträge im nächsten Sommer. Das ist der Lauf der Welt. Aber lass uns nicht unken, du bist eine wertvolle Hilfe, mit deiner Unterstützung werden wir in der nächsten Woche das Korn scheffelweise auf den Dreschplatz fahren.«
    Vitus legte die Hacke aus der Hand und betrachtete die Verbände an seinen Handgelenken. »Das wäre vor ein paar Tagen noch nicht möglich gewesen.«
    »Du sagst es! Aber dank der Künste unseres Dorfschmieds bist du endlich deine Kette los, wenn es auch beim Erhitzen der Eisenmanschetten ganz ordentlich gezwickt hat, stimmt's?«
    »Stimmt.« Das Glühendmachen der Manschetten war tatsächlich sehr schmerzhaft gewesen, obwohl Meister Funerto nasse Tücher zwischen Stahl und Handgelenk gestopft hatte. »Seitdem bist du erst wirklich ein

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