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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Zeitpunkt tun ließ.« Sie falteten die Hände und senkten die Köpfe. Abt Gaudeck überlegte kurz, dann verkündete er: »Für unsere Danksagung wähle ich die Worte Davids, die niedergelegt sind im 18. Psalm der Heiligen Schrift:
    Ich liebe Dich, Herr, Du meine Stärke!
    Der Herr ist mein Fels und meine Burg
    und mein Erretter,
    mein Gott und mein Hort,
    auf den ich mich verlasse,
    mein Schild und meines Heiles Hörn
    und meine Zuflucht.
    Gepriesen, rufe ich, sei der Herr;
    so werde ich vor meinen Feinden errettet.
    Amen.«
    Gaudeck blickte auf und musterte die Runde. Dann nahm sein Gesicht einen spitzbübischen Ausdruck an. »Da es dem Erhabenen gefallen hat, unsere Unternehmung mit so viel Segen zu bedenken, wird er sicher auch nichts dagegen haben, wenn wir uns nach diesem Tag gebührend stärken. Cullus, steig deshalb herab von unserer Tafel, und hole eine der bauchigen Flaschen, in denen sich der Vinum monasterii befindet.« »Gern, Ehrwürdiger Vater!« Cullus beeilte sich, den Wunsch seines Abtes zu erfüllen. Geschwind hüpfte er vom Wagen und erkletterte wenig später wieder die Plattform, ächzend eine gluckernde Flasche und weitere Becher balancierend. »In vino delectatio!«
    »Und nun schenk ein«, nickte Gaudeck, »auch den Jungen.« Als alle ein gefülltes Gefäß in der Hand hielten, sagte der Abt: »Der Wahlspruch unseres Ordens heißt zwar Ora et labora, liebe Brüder und Freunde, aber ich denke, am heutigen Abend können wir ihn um einen Imperativ erweitern: celebra.« »Ora et labora et celebra!«, wiederholte Cullus fröhlich und prostete mit seinem Becher in die Runde. Orantes und die Zwillinge taten es ihm gleich, doch in ihren Gesichtern stand ein Fragezeichen.
    »Man sollte nicht immer nur beten und arbeiten, sondern auch mal feiern«, half der Magister augenzwinkernd nach. »So ist es«, bekräftigte Gaudeck.
    »Bene tibi, zum Wohle!« Sie nahmen einen Schluck des schweren, süßen Weins und spürten, wie er ihnen Fetter gab. »Das tut gut!«, seufzte Vitus. Sein Blick fiel auf die Zwillinge. Er wollte Lupo ansprechen, doch dann zögerte er. Die Brüder waren zwischenzeitlich aufgestanden und hatten sich wieder gesetzt. War Lupo noch Lupo? Oder saß da jetzt Antonio? Es war beim besten Willen nicht zu erkennen. »Wie hält man euch beide nur auseinander?«, fragte er.
    Die Zwillinge stießen sich an und grinsten. Dann antwortete der eine: »Ich verrate dir ein Geheimnis, Vitus: Ich bin Lupo, und mein Erkennungszeichen ist diese kleine Narbe an der rechten Hand.« Er zeigte sie. »Bin mal in die Türangel gekommen.«
    Antonio grinste: »Wir sind zwar in allem gleich, aber das wollte ich nun doch nicht nachmachen.«
    Vitus lachte und nahm einen weiteren Schluck. »Ich werd's mir merken. Würdest du uns erzählen, Lupo, was der Wachsoldat ausgeplaudert hat?«
    »Aber klar. Wie gesagt, ich sprach ihn zuerst auf seine Hellebarde an, die, unter uns gesagt, nicht besonders beeindruckend war: Die Klinge war rostig und schien auch nicht besonders scharf zu sein. Trotzdem war er auf die Waffe stolz wie ein Pfau. Er faselte was von den guten Diensten, die sie ihm geleistet hätte, und zeigte mir den Winkel, in dem man sie halten muss, wenn man den anstürmenden Feind durchbohren will. Dann tat er sich dicke, dass er schon oftmals von seinem Zugführer ausgezeichnet worden sei und dass sogar der Alcalde sich lobend über ihn geäußert hätte. Das war für mich das Stichwort. Ich erinnerte mich daran, dass du, Vitus, erzählt hattest, der Alcalde hätte gesagt, er müsse sich um eine Delegation aus Burgos kümmern. Also sagte ich zu dem Posten: »Die lobende Erwähnung des Alcalden, die kann aber nicht heute gewesen sein, denn heute hat der Bürgermeister doch die Leute aus Burgos da, mit denen er über Gott weiß was verhandelt, die ganze Stadt spricht davon. « »Glaubst du mir etwa nicht, Junge?«, fragte er beleidigt. »Doch, doch«, sagte ich schnell, »die Leute reden nur so viel, auch über die Vorfälle im Kerker .. .«
    »Aha, darüber schwätzt man also auch schon«, antwortete er, »also, wenn du's nicht weitersagst: In einer der Zellen sind gestern Nachmittag Gefangene bei lebendigem Leibe verbrannt. Wahrscheinlich Ketzer. Wie das passieren konnte, weiß ich nicht. Die hohen Herren erzählen unsereinem ja nichts. Der Alcalde hat meinen Zugführer angewiesen, dass ums Verrecken niemand ins Gefängnis rein darf, nicht mal die kleinste Feldmaus.«
    »Bei allen Heiligen! «, rief ich und tat

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