Der Wanderchirurg
Minute ließ er die Arme sinken, und alle Bälle fielen zu Boden. Er verbeugte sich.
»Bravo!« Vitus klatschte begeistert in die Hände.
»Ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich ist«, staunte der Magister.
»Phantastisch!«, rief Ana.
»Ich danke euch, verehrtes Publikum.« Arturo verbeugte sich tief. »Wenn die Nummer zu gefallen wusste, bin ich gern bereit, sie bei Gelegenheit zu wiederholen.«
»Wir bestehen darauf!«, entfuhr es Orantes spontan.
»Diese Darbietung war mehr wert als zwei Fässer voll Wasser. Wenn Eure Truppe also in den nächsten Tagen noch ein weiteres Mal Trinkwasser brauchen sollte, seid Ihr hiermit eingeladen, Euch an meinem Brunnen zu bedienen.«
»Ich hätte auch noch ein kleines Fässchen mit eingelegten Oliven«, ließ Ana sich vernehmen. »Nur für den Fall, dass Ihr für Eure Mahlzeiten noch keine Beilage habt.«
»Ich danke euch von Herzen, ihr guten Leute!«
Abermals verbeugte Arturo sich tief. »Wie es der Zufall will, würden wir gern ein paar Tage von unserer beschwerlichen Reise ausruhen, und der Platz, an dem wir lagern, wäre dazu ideal. Ich nehme deshalb das Angebot gerne an.«
Er lächelte in die Runde. »Wenn Ihr gestattet, würden Anacondus und ich uns jetzt gern zurückziehen, allerdings nicht, ohne alle Anwesenden zu einer Sondervorstellung am morgigen Sonntag herzlich einzuladen.« Er wandte sich direkt an Orantes. »Wir dürfen doch mit Eurem Kommen rechnen?« Orantes zögerte. »Was meinst du, Frau?«
»Gönn es den Kindern«, antwortete sie. »Wann kommen schon mal Gaukler oder Schausteller in unsere Gegend.«
»Also abgemacht. Morgen Nachmittag erscheint meine ganze Sippe bei Euch, einschließlich Vitus und dem Magister.«
»Wir freuen uns auf Euren Besuch!« Arturo sprang leichtfüßig auf den Wagen, auf dem Anacondus bereits saß, ergriff die Zügel und schnalzte mit der Zunge. Langsam zog der Gaul das Gefährt mit den gluckernden Wasserfässern in Richtung Straße.
»Und du? Freust du dich auch, mein Kleiner?«, fragte Orantes seinen Jüngsten. »Oh ja, Papa«, strahlte Gago.
»Und wie!«
Der Doctorus bombastus sanussus
»Nun, ihr guten Leute, wen plagt es an Seele oder Körper! Nur frei heraus mit der Sprache, die erste Behandlung ist für Gotteslohn! Niemand? So appliziere ich mir das Balsamum vitalis selbst, denn schließlich wirkt es auch gegen aufkommenden Ärger, verursacht durch hasenfüßige Patienten!«
A m nächsten Tag verließen sie die Gegend von Belorado und Briviesca und fuhren in nördlicher Richtung weiter. Vor ihnen wand sich die Straße in unzähligen Biegungen auf und ab durch eine Landschaft, die von dichten Wäldern geprägt war, immer wieder unterbrochen von abgeernteten Feldern und kleinen, aus kümmerlichen Häusern bestehenden Dörfern. Vitus' Wagen hatte wieder die Spitze übernommen, denn Arturo hatte keinen Grund gesehen, an der Reihenfolge der Kolonne etwas zu ändern. Er war im ersten Morgengrauen an den Zigeunerwagen herangetreten und hatte kurz geklopft.
»Ich komme!« Mit vor Müdigkeit rot geränderten Augen hatte Vitus sich zur Tür getastet, entlang an einer schweren Wolldecke, die von Tirzah schon am ersten Abend zur Raumteilung aufgehängt worden war. An Schlaf war in der Nacht nicht zu denken gewesen. Tirzah hatte lange Zeit vor sich hin geweint, leise zwar, um ihn nicht zu stören, aber er hatte sich dennoch dabei ertappt, dass er gerade deshalb auf jeden ihrer Laute achtete. Später dann hatte er versucht, sie zu trösten, indem er auf sie einsprach und von Gott und der Welt erzählte. Allmählich, ganz allmählich war sie ruhiger geworden, hatte seiner Stimme und seinen Erzählungen gelauscht und selbst von sich und ihrer Familie berichtet, bis ihm endlich, kurz vor Tagesanbruch, ihre regelmäßigen Atmzüge verraten hatten, dass sie eingeschlafen war.
»Wer ist da?«
»Ich bin's, Arturo! Der Doctorus hat mich eben angesprochen, er machte den Vorschlag, im vordersten Wagen mitzufahren, und zwar neben dir auf dem Bock. Er meinte, für Tirzah sei das zu gefährlich, sie müsse im Wagen bleiben. Nach den Ereignissen gestern ist der Vorschlag nicht von der Hand zu weisen.«
»Dann sitze ich, ehrlich gesagt, lieber allein auf dem Bock.«
»Nein, das wäre nicht gut. Vier Augen sehen nun mal mehr als zwei.«
»Hm. Und wer soll den Wagen des Doctorus fahren?«, hatte Vitus wissen wollen.
»Das macht Antonio.«
»Ich kann mir trotzdem einen angenehmeren Nebenmann vorstellen. Warum kommt
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