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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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die Wunde sich noch um ein Weiteres zusammenzog. Er richtete sich auf.
    »Geschafft! Es hat besser geklappt, als ich dachte.«
    »Deo gratias!«, seufzte der Magister.
    »Wird er jemals wieder sprechen können, wo doch die Haut so angespannt ist?«, fragte Orantes zweifelnd.
    »Ganz bestimmt«, versicherte Vitus. »Es liegt in der Natur der menschlichen Haut, dass sie sehr dehnungsfähig ist. Überhaupt wird von der Operation später kaum etwas zu sehen sein. Außerdem«, Vitus lächelte und begann seine Instrumente fortzuräumen, »dürfte dein Kleinster in spätestens zwölf Jahren sowieso einen Bart tragen.«
    Nach drei Tagen wechselte Vitus das erste Mal den Verband. Nach sieben Tagen zog er die obere Goldnadel. Zwei Tage später folgte die andere. Zur Erleichterung aller hatte Vitus saubere Chirurgenarbeit geleistet. Die Wundränder hielten, die Narbe war bereits ein verblassender Strich, in späterer Zeit würde sie kaum wahrnehmbar sein.
    Wie Orantes vermutet hatte, war die Sprachunsicherheit bei Gago nach dem ersten Blick in den Spiegel wie fortgeblasen. Der Kleine lebte mit jedem Tag mehr auf. Und mit ihm das gesamte Haus.
    »Vitus«, sagte Ana in der zweiten Woche nach der Operation, »was Ihr für uns getan habt, vermag ich nicht in Worte zu fassen, ich möchte Euch nur sagen, dass Ihr für immer einen Platz in unseren Herzen habt und dass Ihr und der Magister so lange in unserem Haus leben könnt, wie Ihr wollt. Ihr gehört jetzt gewissermaßen zur Familie.«
    »Mein Weib hat wie immer Recht«, bekräftigte Orantes die Worte seiner Frau, »ich hätte es nicht besser ausdrücken können.« Er gab seiner Stimme einen forschen Klang, um seine innere Bewegung zu verbergen. Es klopfte.
    »Wer kann das sein?«, fragte der Hausherr. »Antonio, geh mal öffnen.« Der Zwilling gehorchte umgehend. Draußen stand ein großer, schlanker Mann Ende zwanzig. Er trug ein wildledernes Hemd und Hosen aus demselben Material.
    Das Barett auf seinem Kopf saß unternehmungslustig schief. Er nahm es mit einer geschmeidigen Bewegung ab, bevor er sich verbeugte.
    »Mein Name ist Arturo«, stellte er sich vor, und ein gewinnendes Lächeln erschien auf seinen jungenhaften Zügen. »Ich bin Mitglied einer Gauklertruppe, die auf dem Wege nach Santander ist. Ihr würdet uns einen großen Gefallen erweisen, wenn wir unsere Wasservorräte an Eurem Hofbrunnen ergänzen dürften.«
    »Wo lagert Eure Truppe?«, fragte Orantes zurückhaltend. Seine Erlebnisse mit fahrendem Volk waren nicht immer die besten gewesen.
    »Ungefähr eine halbe Meile von hier am Wegrand, Senior«, erklärte Arturo gleichbleibend freundlich. »Wir sind unserer sieben, alles harmlose Leute. Ich versichere Euch, wir wären die Letzten, mit denen Ihr Ärger kriegen würdet.«
    »So so.« Orantes, der von Natur aus ein hilfsbereiter Mann war, besiegte seine Vorsicht. Außerdem war er seit Tagen in aufgeräumter Stimmung. »Nun gut. Ihr könnt Euch mit Wasser versorgen, und Ihr dürft auch an der von Euch genannten Stelle lagern. Sie gehört zu dem Land, das ich bestelle. Verpflegen allerdings müsst Ihr Euch selbst.«
    „Selbstverständlich! Ich danke Euch, Senior ...«
    «... Orantes.«
    „Nicht alle Brunnenbesitzer sind so großzügig wie Ihr, Senior Orantes. Wenn es Euch recht ist, komme ich nachher mit Pferd und Wagen und zwei Wasserfässern vorbei.« Sein Blick fiel auf die drei Jonglierkugeln. »Als kleinen Dank zeige ich Euch dann, wie man mit sieben Kugeln jongliert.«
    Mit einer raschen Bewegung wandte er sich ab, grüßte weit ausholend mit der Hand und war verschwunden.
    »Sieben Kugeln«, wiederholte der Magister nach einer Weile ungläubig, »das will ich sehen!«
    Arturo hatte nicht zu viel versprochen. Nachdem die Wasserfässer gefüllt waren, wobei ihm ein Mann half, den er als Anacondus, den Schlangenmenschen, vorgestellt hatte, stellte er sich breitbeinig in die Mitte des Hofs und holte sieben leuchtend bunte Bälle aus seinen Taschen. Nacheinander warf er sie in die Luft, wobei er mit jeder weiteren Kugel die Geschwindigkeit steigerte. Schließlich waren alle Bälle in ihrer Kreisbahn und flitzen vor den Augen der Zuschauer auf und nieder.
    Vitus stellte fest, dass Arturos Oberkörper nahezu bewegungslos blieb, während er mit winzigen Schritten die Unregelmäßigkeiten im Wurf ausglich. Sein Gesicht hatte vor Konzentration einen maskenhaften Ausdruck angenommen. Der Blick seiner Augen war starr auf die Kugeln gerichtet. Nach etwa einer halben

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