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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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den Doctorus bitten, schon mal die Krebse zu waschen«, sagte er.
    Als alle sich bald darauf wieder trafen, sah Vitus, wie der Magister verärgert die Krebse allein abschrubbte. »Ist dir eine Laus über die Leber gekrochen?«
    »Dieser Doctorus steht mir bis zum Hals!« Der kleine Mann machte eine entsprechende Bewegung mit der Bürste. »Weißt du, was er mir geantwortet hat, als ich ihn bat, uns zu helfen?« Er verzog das Gesicht und machte die Stimme des Doctorus nach: »Mein lieber junger Freund, wie stellt Ihr Euch das vor? Ich beschäftige mich gerade mit dem Studium meiner Sechs-Säfte-Lehre, und da kommt Ihr und wollt, dass ich irgendwelche Tiere wasche? Nein, bedaure ...« So ein blasierter Affe!«
    Vitus und Arturo amüsierten sich. »Wo ist der Doctorus überhaupt?«
    »Wo wohl?«, fragte der kleine Mann erbost zurück.
    »Natürlich noch in seinem Wagen, der Herr wartet, bis alle Arbeit getan ist, um sich dann an den gedeckten Tisch zu setzen!«
    Der Magister behielt Recht. Bombastus Sanussus erschien erst auf der Bildfläche, als alle Vorbereitungen beendet waren und ein köstlicher Duft nach gekochten Krebsen durch das Lager zog. Vitus, der noch rasch die große Schöpfkelle geholt hatte, bemerkte beim Zurückkommen, dass der Doctorus sich auf seinen Platz gesetzt hatte - direkt neben Tirzah. Ein Stich des Ärgers durchfuhr ihn, während er zur anderen Seite des Feuers ging, wo er noch eine Lücke fand.
    »Das duftet wie alle Wohlgerüche Arabiens zusammen!« Voller Vorfreude streckte der Doctorus seine lange Nase in die Luft. »Nach der Mühe des Studierens gibt es nichts Schöneres als ein kräftiges Mahl.«
    »... das andere für einen zubereitet haben«, ergänzte der Magister. Er war noch immer wütend.
    Doch Bombastus Sanussus schien die Bemerkung nicht gehört zu haben. Er hielt seinen Holznapf hoch und blickte fordernd in die Runde. »Kann mir jemand auftun?« Vitus erhob sich und fischte mit der Schöpfkelle ein paar Krebse aus dem Kessel. Sie hatten eine satte rote Farbe angenommen. »Bitte sehr.«
    »Danke, mein junger Freund.« Der Doctorus griff nach einer Zange. Krachend öffnete er den ersten Panzer und stocherte mit Muße das Fleisch heraus. Anschließend hielt er es dem Zigeunermädchen hin.
    »Darf ich Euch von meinen Flusskrebsen anbieten, Jungfer Tirzah? Ich bin sicher, so etwas Leckeres habt Ihr lange nicht zu Euch genommen.« Tirzah schüttelte den Kopf.
    »So muss ich Euch zu Eurem Glück zwingen.« Der Doctorus lachte meckernd und streifte das Fleisch ab, das dampfend in Tirzahs Schoß fiel.
    »Guten Appetit!« Er nahm sich den zweiten Krebs vor, den er ebenfalls in aller Ruhe knackte. »Vielleicht ist es Eurer Aufmerksamkeit entgangen, Doctorus«, sagte Vitus, »aber es gibt nur die eine Zange. Habt also die Güte und beeilt Euch etwas.«
    »Eile mit Weile, mein junger Freund. Unangemessene Hast hat noch niemals zum Ziel geführt, nicht wahr, Jungfer Tirzah?«
    Wiederum erhielt er keine Antwort, was ihn allerdings nicht zu stören schien. »Kann mir jemand die Suppe herüberschieben? Sie duftet gar zu köstlich, als dass ich sie länger unprobiert lassen möchte!«
    Als niemand reagierte, half er sich selbst. Er beugte sich vor und nahm schlürfend mehrere Löffel voll.
    »Köstlich, köstlich!«, schnaufte er zufrieden, wobei er sich mit einem Tuch den Mund abtupfte. »Es geht doch nichts über ein gemeinschaftliches Mahl.«
    »Wo Ihr gerade das Wort »gemeinschaftlich« benutzt, Doctorus«, schaltete Arturo sich ein, »diese Mahlzeit verdient den Ausdruck keineswegs. Sie wird zwar gemeinschaftlich verzehrt, wobei Ihr Euch durchaus hervortut, aber sie ist nicht gemeinschaftlich zubereitet worden.«
    »Ich verstehe nicht ganz, junger ...«
    »Und hört mit Eurem ewigen »junger Freund« auf! Ich mag nicht, wenn Dinge unausgesprochen im Raum stehen. Deshalb sage ich Euch klipp und klar, was alle denken: Ihr habt bislang regelmäßig durch Abwesenheit geglänzt, wenn es darum ging, eine Arbeit gemeinsam zu verrichten, und die Zubereitung des heutigen Essens bildet da keine Ausnahme. Wenn Ihr beim nächsten Mal nicht helft, werdet Ihr ausgeschlossen.«
    »Ja, das ist doch ...«
    »Das ist nur recht und billig. Bei uns ist sich keiner für eine Arbeit zu schade, falls Ihr das in den vielen Wochen, die Ihr mit uns reist, noch immer nicht gemerkt habt.«
    »Ich protestiere aufs Schärfste gegen diesen Ton, junger, äh ...« Der Doctorus hatte sich halb erhoben, Empörung lag auf

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