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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Er drehte sich um neunzig Grad, sodass Vitus genau verfolgen konnte, was er demonstrierte. »Mit dem Schritt rechts vorwärts nähert man sich dem Gegner, um die Mensur zu schließen und einen Treffer anzubringen.«
    »Die Schritte scheinen beim Fechten recht klein zu sein.«
    »Abwarten! Für die großen Sprünge ist es noch zu früh. Der rechte Fuß ist der Fuß des Ausfallbeins, der linke der des Standbeins. Eine eherne Regel beim Fechten besagt, dass, sobald das eine Bein bewegt wurde, das andere entsprechend nachgezogen werden muss, um die Grundstellung wiederherzustellen. Die Bewegung rückwärts funktioniert natürlich umgekehrt.« Er machte es vor. »Kapiert?«
    »Kapiert.« Vitus probierte es mehrmals und wurde von Arturo korrigiert. Als Nächstes zeigte der Fechtmeister einige Sprungvarianten und erklärte dann weiter: »Natürlich werden alle einzelnen Beinbewegungen im Gefecht miteinander kombiniert, denn nur so ist es möglich, Treffer zu landen. Die häufigsten zusammengesetzten Beinbewegungen nennen sich Patinando, Ballestra und Radoppio.« Er erklärte die Schrittfolgen. Vitus hörte gespannt zu und führte sie anschließend aus. Unterdessen war fast eine Stunde vergangen, Vitus' Gesicht unter der Maske war schweißnass.
    »Greif mich an!«, befahl Arturo unvermittelt. Durch seine schlechten Erfahrungen am Anfang ging Vitus jetzt vorsichtiger zu Werke. Er wartete zwei, drei Sekunden und versuchte dann urplötzlich die Ballestra, also den Sprung vorwärts, zusammen mit einem Ausfall. Doch so schnell er auch war, Arturo reagierte schneller. Mit zwei kurzen Schritten war er seitlich zurückgesprungen und hatte Vitus' Degen fortgeschlagen. Während Vitus sich noch umdrehte, hatte der Fechtmeister ihm seinen Dussack bereits in die Seite gesetzt.
    »Im Ernstfall wärst du jetzt ein toter Mann«, sagte er und nahm seine Maske ab.
    »Wie konntest du so genau wissen, wann ich dich angreifen würde?«
    »Beobachtung und Erfahrung. Ich habe es in deinen Augen aufblitzen sehen, da wusste ich, dass es losgeht. Nichts ist wichtiger, als dem Gegner in die Augen zu sehen. Du erkennst in ihnen alles: Angst, Entschlossenheit, Irritation und eben auch jenen Funken, der dir sagt, dass er losschlägt.« Arturo nahm wieder die Grundstellung ein Abermals erklang in Vitus' Rücken ein Kichern. Die Gaukler schauen noch immer zu!, dachte er und wünschte sich, sie würden Mittagsschlaf halten. Er blickte sich um, und ein jäher Schmerz schoss ihm durch die Brust. Er brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass Arturo mit seinem Dussack zugestoßen hatte.
    »Eine weitere Regel heißt: Lass dich durch nichts und niemanden vom Kampf ablenken!«, erklärte der Fechtmeister. Er ging auf Vitus zu und nahm ihm mit einer versöhnlichen Geste die Ledermaske ab. »Für heute ist es genug. Die nächsten Male zeige ich dir, was eine Einladung ist, und wir üben Angriff, Parade und Riposte.«
    »Das Ganze hatte ich mir leichter vorgestellt«, bekannte Vitus ehrlich.
    »Es ist eben noch kein Meister vom Himmel gefallen. Und ein Fechtmeister schon gar nicht. Aber mach dir nichts draus. Aus dir wird auch noch ein brauchbarer Kämpfer.«
    Am Abend kam Arturo mit einer guten Nachricht: »Ich habe Flusskrebse gefangen«, rief er fröhlich, »mindestes drei Dutzend! Ganz in der Nähe fließt ein Bach, und sie warten nur darauf, dass man sie einsammelt.«
    Er hielt eine große, tönerne Schüssel in der Hand, die er vorsichtig an der Feuerstelle absetzte. Tirzah wollte die Tiere neugierig anfassen, doch der Fechtmeister warnte sie: »Achtung! Einige von den Schalenrittern leben noch, und was sie einmal mit ihren Scheren gepackt haben, das lassen sie so schnell nicht wieder los.«
    Vitus und der Magister kamen hinzu. »Das gibt ein fürstliches Mahl!«, freute sich der kleine Gelehrte. »Wie wollen wir sie vertilgen, gekocht oder gebraten? Du als Beschaffer darfst die Zubereitung bestimmen.«
    »Gekocht.«
    »In Ordnung, dann lasst uns alle mit Hand anlegen, damit es schneller geht.«
    Anacondus und die Zwillinge waren ebenfalls herangetreten. »Wir suchen trockenes Holz«, verkündete Antonio, und die beiden anderen nickten.
    Zerrutti, Maja und Tirzah erhielten den Auftrag, alle Wagen nach verwertbaren Speisen abzusuchen und aus den restlichen Bohnen eine Suppe vorzubereiten.
    Vitus und Arturo gingen zum Bach, um dort den großen Kessel auszuwaschen.
    Der Magister machte sich daran, das Dreibein über der Feuerstelle aufzubauen. »Ich werde

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