Der Wanderchirurg
nichts an Streitereien. Außerdem«, er lächelte schief, »ist das Wetter zu unfreundlich, um die Klingen zu kreuzen.«
Statt einer Antwort stellte Alizon sich zum Kampf auf.
»Ich werde dir eine Lektion erteilen, du halbe Portion!«, knurrte er. Singend ließ er sein Schwert durch die Luft sausen. »Eine Lektion durfte ich selbst gerade jemandem erteilen«, entgegnete Arturo, »aber ich lerne immer noch gern dazu. Wenn Ihr gestattet, kämpfe ich trotzdem mit meinem Dussack.«
Der Fechtmeister nahm die Grundstellung ein. Er federte leicht in den Knien, wobei er seine Holzwaffe in Schulterhöhe des Gegners hielt. »Komm, Tierquäler, lass dir das Maul stopfen.« Die Zeit der Höflichkeiten war vorbei.
»Wohlan denn, halbe Portion. Auf Tod und Leben?«
»Wie's beliebt, Tierquäler! Lass mich am Ende nur wissen, was du vorziehst.«
Beide Kontrahenten standen etwa drei Schritt voneinander entfernt und musterten sich abschätzend. Eine halbe Minute verging, in der die Augen der Gegner bereits kämpften. Dann, für Vitus völlig unvermittelt, stürzte Alizon blitzschnell vor und setzte zu einem Hieb an, der einen Ochsen gefällt hätte - aber er traf nicht. Arturo war elegant zur Seite gesprungen und hatte den Gegner ins Leere laufen lassen. »Ich hoffe, du hast gut hingeschaut, Vitus«, sagte der Fechtmeister und blickte seinem Gegner dabei in die Augen, »das war ein Sturzangriff, wie er unbeholfener nicht vorgetragen werden kann.«
Alizon wurde weiß vor Zorn. »Dir werd ich's zeigen!«, zischte er und stürmte erneut auf seinen Gegner ein. Wieder schlug er zu, und abermals traf er nichts als Luft. Arturo war ausgewichen und um den Angreifer herumgesprungen. Jetzt stand er im Rücken seines Gegners und lächelte.
»Unten in Andalusien, Vitus«, sagte er im Plauderton, »haben die Hidalgos ein Spiel erfunden: Sie kämpfen mit ausgewachsenen Stieren und nehmen dazu Schwerter, Dolche oder den Handspieß; hier im Norden jedoch, wo es so viele Ochsen gibt, genügt ein Knüppel.«
Verbissen stürmte Alizon ein drittes Mal vor, wobei er sein Schwert waagerecht hielt und damit um sich schlug. Er wollte so die größere Reichweite seiner Waffe nutzen und Arturos Unterkörper treffen. Doch der Fechtmeister sprang bei jedem Streich leichtfüßig einen halben Schritt zurück, bis Alizon schließlich schwer atmend stehen blieb. Langsam dämmerte es ihm, dass dies kein leichter Gang werden würde.
»Achte auf meine Körperhaltung, Vitus«, sagte Arturo, »ich biete jetzt eine Quart an.« Er nahm die rechte Hand vor den Leib und hielt die Waffe halbhoch nach links. Dadurch war die rechte Seite seines Oberkörpers ungeschützt. »Mal sehen, ob unser Tierquäler die Einladung annimmt.«
»Und ob!«, keuchte Alizon und stürzte mit ausgestrecktem Schwert vor, um seinem Gegner die Brust zu durchstoßen. Arturo jedoch war auf der Hut und schlug im letzten Augen blick die Klinge zur Seite. Während Alizon ins Leere lief, rammte der Fechtmeister ihm sein linkes Knie mit voller Wucht in den Oberschenkel. Alizon schrie auf und krümmte sich vor Schmerz. Arturo schlug jetzt zum ersten Mal zu. Er traf den gebeugten Rücken seines Gegners zwischen den Schulterblättern; es gab einen dumpfen, hässlichen Laut. Alizon rang nach Luft und fiel kraftlos nach vorn auf die Knie. Das Schwert glitt ihm aus der Hand. Benommen schüttelte er den Kopf, als könne er das alles nicht verstehen.
»Die Schläge, die ich dir jetzt zeige, Vitus, stehen in keinem Lehrbuch«, fuhr Arturo scheinbar unbeteiligt fort,
»aber der Volksmund würde das, was mein Dussack jetzt macht, ein »Tänzchen« nennen.« Er trat auf den wehrlosen Alizon zu und versetzte ihm ein paar weitere Hiebe. Die Schläge waren leicht, aber unerhört schmerzhaft - und so dosiert, dass sie keine inneren Verletzungen hervorriefen.
»So, Tierquäler, da ich annehme, dass du am Ende unseres Kampfes lieber das Leben wählst, kannst du jetzt verschwinden.«
Noch immer keuchend tastete Alizon nach seinem Schwert. Seine vor Kraftlosigkeit zitternden Hände brauchten mehrere Versuche, es in die Scheide zu stecken. Dann richtete er sich mühsam auf, wobei er es vermied, den Fechtmeister anzublicken. Langsam schlich er zu seinem Pferd.
»Das Pferd bleibt hier, Tierquäler!« Vitus' Stimme war schneidend. »Es hat genug gelitten. Du reitest damit keinen Fußbreit fort!«
»Aber wie soll ich, der Matsch ... ich kann nicht!«, stammelte Alizon.
Auch Arturo blickte Vitus ratlos an.
»Der
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