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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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die Stärkung des Herzens. Ich folge hier einem Rezept der Äbtissin Hildegard von Bingen, sie war eine hochgelehrte Frau, die vor langer Zeit in Deutschland lebte. Ich verordne deshalb Eurem Mann den Verzehr von rohen Kastanien. Diese Baumfrüchte haben ebenfalls eine warme Natur. Ihr könnt die rohen Kastanien auch zerquetschen und in Honig legen, Ihr würdet damit zugleich etwas für die Leber Eures Gatten tun.«
    »Ich habe mir alles genau gemerkt, verehrter Vitus von Campodios. Ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll.«
    »Ich habe Eurem Gatten und Euch gern geholfen.« Vitus packte seine Utensilien wieder in die Kiepe. »Wenn Ihr Euch erkenntlich zeigen wollt, wirkt auf Don Francisco ein, dass die Artistas unicos noch ein paar Tage länger vor der Stadt lagern dürfen.«
    »Das will ich tun! Bitte, wann werdet Ihr wieder nach Don Francisco sehen?«
    »In zwei oder drei Tagen«, antwortete Vitus. »Bis dahin wird es Eurem Ehemann schon besser gehen, vorausgesetzt, Ihr haltet Euch an meine Vorgaben.«
    »Das werde ich ganz bestimmt!«, versicherte sie eifrig.
    »Dann darf ich mich empfehlen, und gute Besserung!«
    »Adios ... danke ...«, murmelte der Kranke aus dem Hintergrund. »Es geht mir ... schon etwas besser.«
    »Hasta la vista!« Vitus und der Magister verbeugten sich höflich und verließen das Haus.
    Als sie zurück im Lager waren, goss es in Strömen. Eine merkwürdige Atmosphäre lag über dem Behandlungsplatz. Nur noch wenige Menschen standen um das Podest, wild gestikulierend und aufeinander einredend. Der Doctorus war nirgendwo zu sehen, ebenso Tirzah.
    »Was ist passiert?«, fragte Vitus, als sie das Pferd an Arturo zurückgaben. Der Fechtmeister blickte düster. »So ziemlich das Schlimmste, was uns widerfahren konnte: Die Dicke mit dem faulen Zahn ist während der Operation plötzlich zusammengesunken, sie keuchte und zuckte und schnappte nach Luft, und der Doctorus schüttelte sie und schrie sie an, und dann, ja dann war sie plötzlich tot, mausetot.«
    »Beim Blute Christi, wie konnte das geschehen?« Der Magister ließ fast die Kiepe fallen.
    »Wenn ich das Gestammel des Doctorus richtig gedeutet habe, hat sie, verursacht durch den Schmerz, eine Art Kollaps mit Herzstillstand erlitten. Unserem gelehrten Herrn Bombastus Sanussus jedenfalls scheint man keinen Vorwurf machen zu können. Er hat wirklich alles versucht: Er hat ihr ätherische Öle unter die Nase gehalten, sie angeschrien, Maulschellen verpasst, den Kopf nach unten gehalten und noch einiges mehr, aber alles war vergebens.« Arturo band das Pferd an seinen Wohnwagen.
    »Ich frage mich nur, wie man durch bloßes Zahnziehen sterben kann.« Vitus runzelte die Brauen. »Der Verlust eines Zahns kostet sicher nicht das Leben. Ich denke, im Falle der Dicken hat das Wie eine große Rolle gespielt. Nach Galenos' Erkenntnissen bestehen Zähne aus Knochenmaterial, das so hart ist, dass man sie nicht in eine Reihe mit den anderen Organen stellen kann. Jeder Zahn, so lehrte er, hat eine Wurzel, diese wiederum enthält einen kleinen Nerv. Er ist die Ursache der Empfindlichkeit und des Zahnschmerzes.«
    »Aber der Doctorus sprach doch von einem Zahnwurm?«, wunderte sich der Magister.
    »Einen Zahnwurm gibt es ebenso wenig wie einen Narrenstein. Tatsächlich aber sind Zähne über Nerven mit dem Hirn verbunden, vielleicht hat der Doctorus bei seiner Operation einen lebenswichtigen Strang zerstört. Im Übrigen sterben dicke Menschen leichter an Herzversagen als schlanke.«
    »Dann hat der Doctorus womöglich doch einen Fehler gemacht?«, fragte Arturo.
    »Das lässt sich schwer sagen. Ich müsste dazu den Zahn sehen.
    Hat Bombastus Sanussus ihn überhaupt herausbekommen?«
    »Soviel ich weiß, nicht.«
    »Hm, ein angefaulter Zahn ist wegen der Brüchigkeit des Materials meistens schlecht zu ziehen. Er bröckelt beim Extrahieren.« Vitus blickte sich suchend um. »Wo ist die Tote eigentlich?«
    »Ungefähr anderthalb Stunden, nachdem die Leute fortgelaufen waren, um die Nachricht brühwarm in Rondena zu verbreiten, erschien hier ein Bruder von ihr mit zwei Nachbarn. Sie luden die Tote auf einen Wagen und schnappten sich den Doctorus. Ich habe nicht alles verstanden, was sie ihm an den Kopf warfen, nur so viel: Sie selbst würden nichts gegen ihn unternehmen, aber morgen, da könnte er sich auf was gefasst machen, dann käme der Ehemann der Dicken, sie heißt übrigens Antonia Alizon, von einer Reise zurück, und mit dem sei nicht gut Kirschen

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