Der Wanderchirurg
verschrieben hatte. Am späten Nachmittag hatte sie, als sie sich unbeobachtet glaubte, ihren Rock gehoben, um sich die Scham mit einem Tuch zu trocknen. Doch er hatte sie gesehen, und er hatte nicht fortblicken können. Wie so oft in den letzten Tagen erschien ihr seidig-glänzendes schwarzes Dreieck vor seinen Augen, und er stellte sich vor, wie es sein müsse, tief, ganz tief, dort einzudringen. Welch verwerflichen, sündigen Gedanken gab er sich da hin! Andererseits, träumen durfte man. Und die Gedanken gehörten nur ihm, sie waren seine eigenen, er würde sie mit niemandem teilen - am allerwenigsten mit Tirzah, die wahrscheinlich gar nichts von ihm wissen wollte. Er spürte, wie sein Glied hart wurde und sich emporreckte. Der Trank begann zu wirken. Das Verlangen brannte lichterloh in ihm. Wenn Tirzah jetzt hier wäre, würde ich ihr sagen, ja, was würde ich ihr sagen?
»Ich habe dich gesehen«, würde ich ihr sagen, »deinen süßen Schoß, den ich mit meinem Glied durchbohren möchte, den ich in seiner ganzen Tiefe ausloten will, der mich umschlingen soll, mich packen soll, mich nie wieder loslassen soll ...« Alles Unsinn. Aber träumen durfte man.
»Ich wusste, dass du mich angesehen hast«, antwortete sie mit leiser Stimme. »Ich habe es sehr genossen.« Träume. Er griff zu seinem Schaft, der prall und hart war und vor Verlangen pulsierte; er wollte sich Erleichterung verschaffen, doch eine andere Hand war dazwischen und schob die seine beiseite.
Träumte er oder war das Wirklichkeit?
»So, wie du mich geheilt hast, so will ich dir höchste Lust schenken«, sagte Tirzah mit ihrer melodiösen Stimme. Er hörte das Knistern des Stoffs, als sie ihren Rock hob und sich langsam, ganz langsam auf ihn setzte. Sie lag in seiner Armbeuge und spielte mit den Haaren auf seiner Brust. »Ich wusste, dass es so kommen würde«, flüsterte sie, »ich habe mich seit Tagen danach gesehnt.«
Vitus küsste sie leidenschaftlich auf den Mund. »Ich habe es mir genauso sehr gewünscht, aber ich hätte nie gedacht, dass du mich willst.«
»Du Dummer.« Sie richtete sich halb auf und strich sich über ihre Lippen, denn Vitus' Küsse waren heftig und hart, ihm fehlte jegliche Erfahrung. »Ich konnte es kaum erwarten, diesen Blasenkatarrh loszuwerden. Gestern Abend war ich zum ersten Mal völlig ohne Beschwerden, und wie du siehst, habe ich dich gleich verführt.«
Vitus lachte. Er nahm sie wieder in den Arm. »Wann der Tag wohl anbricht?«
»Ist mir einerlei.« Sie kuschelte sich an ihn. »Ich möchte, dass die Zeit stillsteht.«
»Tirzah ist ein schöner Name«, flüsterte er.
»Es ist ein jüdischer Name. Die Vorfahren meiner Familie haben lange in einem Land namens Palästina gelebt. Viele Frauen in unserer Sippe tragen diesen Namen.« Sie ergriff seine rechte Hand und begann mit seinen Fingern zu spielen. »Sind deine Halsschmerzen besser?«
»Ja.« Er küsste sie abermals auf den Mund, diesmal sanfter. »Zum Glück konnte ich neulich abend im Wald meinen Kräutervorrat auffrischen, so hatte ich alles für einen guten Heiltrank.«
Ihm fiel ein, dass er sie bei dieser Gelegenheit heimlich beobachtet hatte. »Ich habe dich übrigens zufällig an diesem Abend gesehen, aber ich wollte dich nicht stören, denn du schriest so schrecklich verzweifelt und sangst so traurig.«
»Oh!« Sie ließ von seiner Hand ab. Er spürte, wie sie sich innerlich versteifte. Doch gleich darauf hatte sie sich wieder gefangen. Sie hauchte einen Kuss auf seine Fingerspitzen und legte seine Hand auf ihre Brüste.
»Du hast mich beim Singen des Klageliedes gesehen«, sagte sie. »Wenn ein Gitano, also einer von uns Zigeunern, stirbt, verlangt es die Sitte, dass ein Todeslied gesungen wird. Ebenso wie es Brauch ist, dass wir die Unsrigen verbrennen. Aber als Vater ermordet wurde, war dafür keine Zeit, wie du weißt, deshalb habe ich wenigstens das Klagelied nachgeholt.« Sie kuschelte sich noch fester an ihn. »Der Schrei, den du dabei gehört hast, ist der Klageschrei, der quejio. Er ist ein besonderer Ausdruck unserer Trauer.«
Er spürte ihren Herzschlag unter seiner Hand. »Aber du hast auch so merkwürdig mit den Füßen aufgestampft.«
»Was du gesehen hast, nennen wir Flamenco, es ist unsere Möglichkeit, Gefühle auszudrücken - Flamenco besteht aus drei Elementen, dem kante, also dem Singen, dem baue, Tanz, und der toque, der musikalischen Begleitung, meistens mit der Gitarre. Das wichtigste der drei Elemente ist aber der
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