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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Mit einer energischen Bewegung nahm er die Kopfbedeckung ab, während an seiner Ölkleidung das Wasser in Bächen herunterlief. »Da mag man die faulste Teerjacke nicht in die Wanten jagen!« Als er Vitus und den Magister entdeckte, besann er sich. »Buenas noches, Senores.« Die Freunde erwiderten den Gruß.
    Umständlich hängte der Fremde seinen Mantel an einen Haken. Anschließend wrang er die Kappe aus und stülpte sie darüber. »He, Wirt, gibt es bei Euch einen anständigen Brandy?« »Selbstverständlich, mit meinem Brandy kann man Tote erwecken, Herr Kapitän.«
    »Woher wollt Ihr wissen, dass ich Kapitän bin?« Der Fremde blickte misstrauisch. »Bin das erste Mal hier.«
    Pancho verbeugte sich tief. »Nun, Senor, Ihr seht aus wie einer. Wenn es trotzdem nicht so sein sollte, bitte ich vielmals um Entschuldigung.« Er machte sich daran, aus einem der an den Wänden stehenden Fässer einen Krug abzufüllen.
    »Nun, zufällig stimmt es«, brummte der Ankömmling halb besänftigt. »Den Krug randvoll, wenn ich bitten darf!«
    »Aye, aye, Sir.«
    »Dass ich Engländer bin, habt Ihr wohl auch schon bemerkt?«
    »So ist es, Sir.« Pancho übergab vorsichtig den übervollen Krug.
    »Ist es gestattet?« Der Kapitän trat an den Tisch der beiden Freunde.
    »Es ist uns eine Ehre, Herr Kapitän.« Der Magister machte eine einladende Geste. »Setzt Euch.«
    »Loom, Gordon Loom«, stellte sich der Fremde vor, während er Platz nahm. »Kapitän und Eigner der Swiftness, einer 16-Ranonen-Frachtgaleone mit zwei Cannonperiers, sechs Culverins, acht Sakers und dem schönen Heimathafen Plymouth.«
    »Das ist mein Freund und Weggefährte Vitus von Campodios, seines Zeichens Cirurgicus und Pharmakologe«, antwortete der kleine Gelehrte, »ich selbst heiße Ramiro Garcia, bin Magister der Jurisprudenz und komme aus La Coruna - einer Hafenstadt im äußersten Westen.«
    »Ich weiß, ich weiß«, nickte Loom, während er einen tiefen Zug direkt aus dem Krug nahm, »bin vor vielen Jahren mal um Haaresbreite am Cabo de Finisterre vorbeigeschrammt.« Seine wasserhellen Augen wandten sich Vitus zu. »Und Ihr, Senor, Ihr seid Cirurgicus?«
    »Ganz recht. Ich habe die letzten Monate bei einer Gauklertruppe, den Artistas unicos gearbeitet. Wir zogen über Land; bei dieser Gelegenheit habe ich manchen interessanten Fall kennen gelernt.«
    »Soso.« Loom nickte, nahm abermals einen kräftigen Schluck und rieb abwesend mit dem Daumen an seiner Lederweste. Vitus vermutete, dass er dies öfter tat, denn die Stelle glänzte wie ein gut gewichster Soldatenstiefel.
    »Soso«, wiederholte Loom. »Was Ihr nicht sagt.«
    »Stimmt irgendetwas nicht?«, fragte Vitus irritiert.
    »Aber nein!« Loom unterbrach abrupt den Reibevorgang. »Was trinken die Herren?«
    »Wir haben bereits einiges getrunken«, entgegnete Vitus. »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ...«
    »Kein Aber! Habt Ihr schon mal Brandy versucht?«
    Ohne die Antwort abzuwarten, schenkte er Vitus und dem Magister aus seinem Krug ein. »Den müsst Ihr unbedingt probieren.«
    Vitus nahm vorsichtig einen Schluck. Das Zeug brannte wie Feuer auf der Zunge und stieg unangenehm in die Nase. Er merkte, wie seine Augen zu tränen begannen.
    »Ziemlich stark, der Trank«, japste er.
    »Ist ein guter Rachenputzer«, bestätigte Loom. »Sagt mir, Cirurgicus, habt Ihr Erfahrungen mit Hieb-und Stichwunden?«
    »Selbstverständlich.«
    »Mit Prellungen, Quetschungen, Verstauchungen, Gelenkauskugelungen?«
    »Ja, sicher.«
    »Mit Schnittwunden, Platzwunden, Schusswunden, mit Arm - und Beinbrüchen und mit Amputationen?«
    Vitus schmunzelte. »Ihr versteht es, einen auszufragen. Bis auf Amputationen bin ich in allen Behandlungskünsten wohlbewandert. Die letzten zwei Monate durch die Bauerndörfer waren eine gute Schule für mich.«
    Loom hob seinen fast leeren Brandykrug an und schielte bedauernd hinein. »Amputationen wären auch nicht so wichtig«, murmelte er mehr zu sich selbst, »sind schließlich nicht im Krieg mit den Dons, noch nicht jedenfalls, da fliegen einem die Kugeln nicht so oft um die Ohren.«
    »Wie meint Ihr?«
    »Ich sagte, dass Amputationen nicht so häufig vorkommen, wenn man keine feindlichen Breitseiten einstecken muss.«
    »Nachdem Ihr meinen Freund so eingehend befragt habt«, meldete sich der Magister, »gebt bitte auch mir eine Auskunft: Welchen Hafen steuert Ihr als nächsten an?«
    Loom rieb erneut an seiner Weste. Seine Seemannsaugen blickten hinaus durch die in den

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