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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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das Glas ein zweites Mal voll.
    »Gut.« Battista trank. »Wir bleiben in Verbindung. Spätestens übermorgen musst du liefern. Und vergiss nicht: Wenn du versagst, fackele ich dir die Bude ab!«
    Schwerfällig begann Battista die Außenleiter hinabzuklettern. Pancho blickte ihm nach. »Spuck nicht so große Töne, Freundchen«, murmelte er zwischen den Zähnen. »Ich lass dich noch ein paar Tage zappeln, dann zahlst du einen besseren Preis.«
    Als Battista noch einmal hochblickte, winkte er ihm lächelnd nach.
    Orantes ritt am Kai entlang und betrachtete staunend das quirlige Treiben um ihn herum. Der Hafen von Santander war viel lauter, als er ihn in Erinnerung hatte: ein lebendiges, pulsierendes Gemisch aus den unterschiedlichsten Tätigkeiten. Händler schrien ihre Angebote hinaus, Arbeiter hämmerten an Transportkisten, Lastenträger stemmten Säcke hoch, Kutscher trieben ihre Pferde an, Offiziere bellten Befehle, Hühner gackerten, Schweine quietschten, überall lagen und standen Gegenstände herum: Seekisten, Farbtöpfe, Stoffballen, Tauwerk, Segeltuch, Tierkäfige, dazu Fässer jeglicher Art, Wasserfässer, Weinfässer, Bierfässer, Fässer mit Schnaps und Brandy, Talg und Tran, Lampenöl und Essig; es schien nichts zu geben, was nicht mit einem Fass transportiert werden konnte.
    Mehrere Matrosen, die, obwohl es noch heller Vormittag war, heftig getrunken hatten, sangen obszöne Lieder, während sie an Orantes vorbeitorkelten.
    »Willst du Tabak?«, krächzte plötzlich eine Stimme in seinem Rücken.
    Orantes fuhr herum und erblickte einen seltsamen Vogel, kunterbunt, mit großen rotschwarzen Knopfaugen und einem raubvogelartigen Schnabel. Das Tier saß auf einer hohen Stange, dicht am Wasser. »Willst du Tabak?«, erscholl es erneut.
    Ein Vogel, der sprechen konnte? Das ging nicht mit rechten Dingen zu! Orantes bekreuzigte sich schnell. Ein alter Mann trat hinzu. Er lachte Orantes verschmitzt an.
    »Habt Ihr noch nie einen Papageien gesehen, Senor?«
    »Bei Gott, das habe ich nicht!« Orantes hatte sich wieder in der Gewalt.
    »Seid Ihr Bauchredner oder so was?«
    Wieder lachte der Mann. »Bewahre! Es ist Lora, die zu Euch spricht, sie möchte wissen, ob Ihr Tabak wollt.«
    »Moment, wie heißt diese Vogelart, Papoga ...?«
    »Papagei. Es sind gesellige Tiere, sie kommen aus NeuSpanien.«
    »Aha.« Orantes betrachtete den Papageien. Zu seiner Überraschung schien der Vogel mit ihm dasselbe zu tun, denn er legte den Kopf schief und beäugte ihn.
    »Willst du Tabak?« Diesmal konnte kein Zweifel bestehen: Die Worte waren aus dem Schnabel des Tiers gekommen, während der Besitzer nicht einmal den Mund verzogen hatte.
    »Nun, Senor, wollt ihr Tabak?«, wiederholte der alte Mann lächelnd. »Ich habe erstklassige Ware zu verkaufen.«
    »Ich weiß nicht einmal, was Tabak ist«, musste Orantes zugeben. »Bin erst das zweite Mal in Santander.«
    »Tabak wird aus den Blättern der Tabakpflanze hergestellt. Ein würziges Kraut, das gegen allerlei Beschwerden des Leibes und der Seele wirkt. Es kommt ebenfalls aus Neu-Spanien, wie meine Lora.«
    Er strich dem Vogel liebevoll über das Gefieder und gab ihm eine Haselnuss. Staunend beobachtete Orantes, wie Lora mit ihrer schwarzen, fleischigen Zunge die Nuss im Schnabel hin - und her bewegte, um sie besser knacken zu können. »Die Eingeborenen der Neuen Welt rauchen den Tabak in Pfeifen. Wartet, ich zeige Euch eine.« Der alte Mann holte aus einer Kiste eine Röhre hervor, an deren Ende ein wulstiger Kopf mit Öffnung saß.
    »Dahinein stopft man den Tabak, sodann entzündet man ihn mit einem Fidibus, während man gleichzeitig mit dem Mund den Rauch durch das Röhrchen zieht.«
    Orantes blickte skeptisch. »Das würde bedeuten, dass man den Qualm im Mund hat? Wollt Ihr mich auf den Arm nehmen?«
    »Bewahre, nein! Einen Augenblick, ich mache es Euch vor.« Schnell und geschickt stopfte der Alte die Pfeife, setzte sie in Brand und paffte dicke Wolken aus dem Mund. »Etwas Gesünderes gibt es nicht, Senor!«
    »Aha.« Orantes dachte an ein Mitbringsel für Vitus.
    »Wie viel wollt Ihr für den Tabak und die Pfeife haben, mein Freund?« Der alte Mann nannte den Preis.
    Orantes zögerte kurz, dann schlug er ein. »Gut, ich nehme beides, vorausgesetzt, Ihr lasst mir einen Vierer ab.«
    Der Alte stutzte. Dann ging ein schiefes Lächeln über sein Gesicht »Dafür, dass Ihr vom Lande seid, Senor, seid Ihr ganz schön ausgeschlafen. Aber sei's drum: Ich bin einverstanden.«
    Die

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