Der Wanderchirurg
Alfonso de Oyon, der Erste Offizier, stramm. Er stand an Oberdeck, wo er das Antreten der neuen Männer beobachtet hatte.
»Danke, Don Alfonso. Ich darf Euch bitten, den Steuermann und mich zu begleiten«, antwortete Näjera liebenswürdig. Unter spanischen Edelleuten herrschte ein gepflegter Umgangston, zumindest so lange, wie Normalsterbliche in der Nähe waren. Gemessenen Schrittes steuerten sie an den Steuerbord-Feldschlangen vorbei nach vorn zur Querreling, die das Oberdeck begrenzte. Najera blieb stehen, legte die Hand auf den reich mit Schnitzwerk verzierten Holzlauf und gab den neuen Männern Gelegenheit, ihn zu betrachten. Er tat so, als ginge sein Blick hinaus auf die See. Nach geraumer Zeit, als er spürte, dass die Landratten zunehmend unruhiger wurden, beschloss er, sie nicht länger zappeln zu lassen. Er wandte sich Battista zu und nickte.
»Capitän, dreizehn neue Matrosen zur Meldung angetreten!«
»Gracias.« Najera musterte die Männer. Wie nicht anders zu erwarten, war es ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der sich ihm da präsentierte. Wahrscheinlich kein einziger Seemann darunter. Vielleicht mit Ausnahme des alten Graukopfs, der ganz links außen stand. Ja, der mochte Seebeine haben. Die anderen allerdings ... Ein Dicker war wie immer dabei, nun, der würde, schneller als ihm lieb war, schlank werden, ein lang aufgeschossener Spindeldürrer stand da, dann kamen ein paar nichts sagende Gesichter, sodann der Professorentyp, der niemals fehlte, wobei jener dort tatsächlich wie einer aussah, die Augengläser jedenfalls verliehen ihm etwas Gelehrtes. Daneben ein mittelgroßer Blonder, ebenfalls nicht dumm aussehend, bei näherer Betrachtung sogar recht viel versprechend ...
»Battista, stellt mich den neuen Männern vor!« Najera trommelte mit den Fingern auf der Reling.
»Halt!« Zu seiner Verwunderung sah Najera, dass der Blonde vorgetreten war und die Unverschämtheit besaß, ihn direkt anzusprechen.
»Mein Name ist Vitus von Campodios, zusammen mit meinem Freund ...«, er griff neben sich und zog den kleinen, gelehrt Aussehenden nach vorn, »mit meinem Freund Ramiro Garcia wurde ich letzte Nacht widerrechtlich an Bord gebracht. Ich verlange sofortige Kursänderung und ...«
Ein heftiger Schlag ließ ihn taumeln. Battista hatte ihm ein Tampenende über den Kopf gezogen. Der Blonde ging in die Knie, richtete sich aber sofort wieder auf. Er schien ein zäher Kerl zu sein. Najera genoss das Schauspiel. Jetzt wandte sich der Bursche mit blitzenden Augen an Battista.
»Das macht Ihr nicht noch einmal«, sagte er gefährlich leise.
Statt einer Antwort holte der Bootsmann ein zweites Mal aus. »Dir werd ich's zeigen, du Hurensohn!«
»Lasst gut sein, Battista.« Najera hatte sich entschlossen einzuschreiten. »Der Mann erhält morgen Vormittag, Punkt 10 Uhr Glasen, dreißig Peitschenhiebe, das wird ihm eine Lehre sein.«
»Herr Kapitän!« Jetzt erdreistete sich auch dieser Gelehrtentyp, das Wort zu ergreifen. »Ich protestiere gegen das, was hier geschieht. Ich bin Magister der Jurisprudenz. Was Ihr mit uns macht, erfüllt den Tatbestand der Freiheitsberaubung!«
»Was du nicht sagst.« Najera wollte nicht ausschließen, dass der Kleine Recht hatte, aber er musste ein Exempel statuieren. »Jetzt sind es schon vierzig Hiebe, die dein blonder Freund erhält, nur weil du dein Maul nicht halten kannst.«
»Aber ich ...«
»Fünfzig Hiebe.«
Zufrieden sah Najera, wie der kleine Mann mit den Schultern zuckte und in die Reihe zurücktrat. Der Blonde tätschelte ihm beruhigend den Arm. Er schien der Klügere der beiden zu sein, denn er hielt sich jetzt zurück.
»Battista, stellt mich den Männern vor«, sagte Najera zum zweiten Mal.
»Jawohl, Capitan!« Der Bootsmann schlug das Tampenende in seine offene Hand. »Also, Leute, vor euch steht Don Miguel de Näjera, Spross eines alten kastilischen Adelsgeschlechts und Kapitän Seiner Katholischen Majestät Philipps II.« Abermals ein Schlag in die Handfläche. »Der König selbst hat es sich nicht nehmen lassen, Don Miguel vor vielen Jahren eigenhändig das Kapitänspatent zu überreichen.«
Ein Raunen ging durch die Männer. Najera registrierte es mit Befriedigung.
»Die Taten Don Miguels, die er auf vielen gefahrvollen Reisen in die Neue Welt vollbracht hat, sind weit über die Grenzen Spaniens bekannt. Sie trugen dazu bei, dass die Sonne im Reiche Seiner Majestät nicht mehr untergeht. Die Feinde unseres Kommandanten sprechen seinen Namen
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