Der Wanderchirurg
Klauen presste der Husten Emilios Lungen zusammen, und in Sekundenschnelle verfärbte sein Gesicht sich blaurot. Die Augen quollen hervor. Blut trat stoßweise aus seinem Mund, während er, von Krämpfen geschüttelt, fahrig in die Luft griff, außer Stande, sich selbst von den Qualen zu befreien.
Vitus saß daneben - versteinert und fasziniert zugleich. Isabella war stehen geblieben und stampfte unruhig mit den Hufen. Jetzt hob sie den Kopf, und Vitus hörte zum ersten Mal, wie laut ein Maultier schreien kann. Das löste seine Erstarrung. Er packte den zuckenden Emilio, hielt ihn fest, damit er nicht vom Bock fiel, und sprach besänftigend auf ihn ein. Jäh wurde ihm klar, wie hilflos er war. Sein Herz begann hart und schnell zu schlagen. Bleib ruhig! Bleib ruhig! Bleib um Gottes willen ruhig! Endlich schien sich der Anfall zu legen. Emilio hing leblos wie eine Puppe in seinem Arm.
Er blickte sich um. Isabella hatte vor einer Gruppe hoher Koniferen Halt gemacht, die einen lockeren Halbkreis bildeten und dadurch einen windgeschützten Platz zum Übernachten boten. Dahinter lag ein kleines Gewässer. Für den Anfang, entschied er, war das nicht schlecht. Scheinbar gelassen zog er dem Alten das Tuch aus dem Rock und tupfte ihm das Blut von den Lippen.
»Mach dir keine Sorgen, Emilio. Wir werden hier Rast machen, bis es dir besser geht.« Der Kranke nickte schwach, unfähig zu sprechen. »Der Anfall scheint vorüber zu sein. Atme nicht zu tief ein, das könnte den Hustenreiz wieder wecken. Warte, ich hebe dich runter ... So, das hätten wir. Ich lehne dich mit dem Oberkörper an diesen Stamm. Versuche, dich gerade zu halten und weiter ruhig zu atmen, ich besorge nur schnell eine Leine.«
Sekunden später hatte er einen Lederriemen vom Karren geholt und um die Brust des Fuhrmanns geschlungen. Hinter dem Baumstamm machte er einen Knoten. »Jetzt kannst du nicht mehr umfallen. Konzentriere dich ganz auf das ruhige Atmen.«
Schnaufend gehorchte der Kranke. Seine Gesichtsfarbe normalisierte sich langsam.
»Gut so, ich glaube, du hast das Schlimmste hinter dir.«
»Vitus?«
»Sprich besser nicht. Was ist?«
»Du bist ein feiner Kerl.«
»Blödsinn.«
Er nahm mehrere Decken vom Wagen und hängte sie so in die Zweige, dass sie eine geschützte Ecke bildeten, dann ging er Wasser in seinem Kochgeschirr holen und suchte trockene Äste zusammen.
Wieder bei Emilio, griff er zu einem besonders harten Zweig und rollte ihn senkrecht zwischen seinen Handflächen, wobei er die Spitze des unteren Endes auf ein anderes Holzstück presste. Geraume Zeit mühte er sich ab, doch nichts geschah.
»Was hast du vor?«, krächzte Emilio, dessen Lebensgeister sich zurückmeldeten.
»Ich mache Feuer, um einen Kräutertrank zu brauen.«
»So wird das nichts.«
»Wieso? Ich habe gehört, dass unterschiedlich harte Holzarten, schnell aneinander gerieben, so viel Hitze entwickeln, dass Feuer entsteht.«
»Ach ja?« In Emilios Augen zeigte sich ein Funke Spott. »Ihr gelehrten Brüder wisst immer alles so genau. Aber ich wette, du kannst reiben bis zum Jüngsten Gericht, und trotzdem wird nichts passieren, außer dass du dir Schwielen an die Finger holst. Guck mal in den Kasten unter dem Bock.«
Vitus gehorchte.
»Da sind zwei dunkle Steine drin. Und eine Menge Sägemehl.«
„Richtig erkannt, Söhnchen. Das Sägemehl verdanken wir dem Holzwurm, der seit Jahren in meinem Karren haust, jetzt schlag die Steine gegeneinander.«
Es gab ein helles, metallisch klingendes Geräusch, gleichzeitig sprang ihm ein roter Funke aus den Händen.
»Donnerwetter!« Wieder schlug er die Steine aneinander, und abermals schoss ein großer Funke hervor.
»Das sind Eisensteine«, erklärte Emilio mit wissender Miene, »deine Holzreibemethode in Ehren, aber Eisensteine sind besser.« Vitus betrachtete die Oberfläche neugierig: »Es ist Pyrit«, verkündete er, »man sieht hier kleine metallische Einschlüsse. Sie sind für das Entstehen der Funken verantwortlich.« Er hielt die Nase an beide Stücke. »Und ich rieche Schwefel!«
»Das ist Eisenstein«, entschied Emilio, »und es ist schon immer Eisenstein gewesen. Mach jetzt Feuer.«
Schon beim zweiten Versuch gelang es Vitus, stetig pustend, dem Sägemehl ein zartes Flämmchen zu entlocken, das sich schnell zu einem prasselnden Feuer vergrößerte. Er besann sich und überlegte, welches Medikament Pater Thomas bei einer Schwindsucht verordnet hätte. Ihm war klar, dass auch die Heilkunst eines
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