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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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seine Kappe und ging mit ihr herum. Die Leute spendeten reichlich. »Ich danke euch! Ich danke euch, ihr guten Leute!«
    »Schafft den Narren fort!«, unterbrach plötzlich eine herrische Stimme. Unbemerkt von Martinez und der Menge war der Inquisitor aus der Kirche getreten, einen Priester und einen Protokollanten in seinem Gefolge.
    »Ein Autodafe ist kein Spaß.« Der Inquisitor blickte suchend um sich. »Zugführer ...?«
    »Hochwürden?« Der Anführer der Hellebardisten eilte mit strammem Schritt herbei.
    »Ihr seid mir persönlich dafür verantwortlich, dass derlei Pannen vor der Urteilsverkündung nicht noch einmal passieren. Die Kirche schätzt es nicht, wenn man sie veralbert.«
    »Jawohl, Hochwürden!« Der Zugführer grüßte zackig und entfernte sich, froh, dass der Auftritt des Narren keine schlimmeren Folgen für ihn hatte.
    Langsam schritt der Inquisitor mit seinen Begleitern zum Holzpodest in der Mitte des Platzes.
    Dort trafen sie mit zwei aufwendig gekleideten Herren zusammen, die aus der Bürgermeisterei gekommen waren. Martinez vermutete, dass es sich bei ihnen um die Vertreter der weltlichen Macht handelte. Der eine, weniger prächtig Gekleidete, war sicher der Alcalde, ein dicker Mensch mit einem Gesicht wie ein Molch; der andere, ein Mann mit gezierten, weibischen Bewegungen, mochte ein Adliger sein. Beide Gruppen begrüßten sich. Hochwürden schlug ein Kreuz und sagte etwas, das Martinez nicht verstand. Der Inquisitor war groß gewachsen, doch sein Körper war knochig wie der eines Kleppers. Wie bei vielen langen Menschen neigte sein Oberkörper sich leicht nach vorn. Er trug ein purpurfarbenes Gewand aus feinstem Atlas. Ein handtellergroßes, mit Rubinen besetztes goldenes Kreuz hing vor seiner Brust. Ab und zu holte er etwas aus der Tasche, steckte es in den Mund und kaute darauf. Martinez konnte nicht erkennen, was es war, aber auch er hatte Hunger. In den Häusern, die er auf dem Weg zur Plaza durchsucht hatte, war außer den paar Maravedis und Vierern nur noch ein halbes Fladenbrot für ihn abgefallen. Nicht genug für einen ausgewachsenen Mann ... Die fünf Personen erklommen das Podest. Der Protokollant hob den Arm und gebot Ruhe. »Das Autodafe möge beginnen!«, rief er mit voll tönender Stimme. Aus Richtung Kerkergebäude, einem massiven Bau aus Felsgestein, der hinter der gegenüberliegenden Seite des Platzes lag, schob sich eine Menschengruppe heran. In der Mitte gingen zwei Männer, denen man den leinenen Sanbenito übergezogen hatte, einen ärmellosen Kittel, der mit Teufelsköpfen und Flammen bemalt war. Die Kappen, die sie trugen, waren von gleicher Art. Jeder schleppte eine lange Leiter auf dem Buckel. Alle paar Schritte strauchelten sie vor Schwäche, rafften sich wieder auf und gingen weiter. Martinez vermutete, dass es sich bei ihnen um die Delinquenten handelte. Wahrscheinlich hatten sie eine Behandlung auf der Streckbank hinter sich. Martinez hatte einen Blick für so etwas. Die Kerle daneben, das mussten der Henker und seine vier Helfer sein. Sie hielten dicke Stricke und Luntenstöcke in den Händen. Martinez fiel auf, dass der kleinere der beiden Leiterträger eine eher frauliche Figur hatte. Er war nicht besonders kräftig und hatte erhebliche Mühe mit dem Schleppen. Eskortiert wurde die Gruppe von sechs Hellebardisten. Sie sollten offenbar dafür sorgen, dass die Gefangenen nicht flüchteten. Martinez hüstelte verächtlich. Die beiden Männer standen nicht mehr gut im Saft. Schon nach wenigen Schritten würde man sie eingeholt haben. Mittlerweile war die Gruppe vor den beiden Scheiterhaufen angelangt. Die Menge hielt den Atem an. Den Delinquenten wurde bedeutet, die Leitern parallel auf den Boden zu legen. Beide taten es widerstrebend.
    »Henker, walte deines Amtes!«, rief jetzt der Priester. Er hatte eine helle Stimme, die nicht zu seiner klobigen Figur passte.
    »Legt euch der Länge nach auf die Leiter!«, befahl der Henker barsch. »Aber nicht direkt ans Ende. Lasst mindestens fünf Fuß Abstand!« Er ging zwischen den Leitern hin und her und zeigte auf den entsprechenden Punkt. »Hier die Füße hin!« Die Gefangenen schienen zu gehorchen, doch plötzlich lief der Kleinere zu dem Großen und warf sich schluchzend an seine Brust. Der Große streichelte ihm beruhigend den Rücken und flüsterte auf ihn ein, aber man sah, wie verzweifelt er selbst war. Der Henker ging dazwischen. »Schluss jetzt! Legt euch hin, aber ein bisschen plötzlich!« Widerstrebend

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