Der Wanderchirurg
kann, ohne dass die Gebeine der getreuen Katholiken berührt werden, befehlen wir, dass sie ausgegraben und den Flammen übergeben werden.«
Seine Heiligkeit Sixtus IV. hatte daraufhin an Torquemada geschrieben: »... deine Taten erfüllen mich mit großer Freude ... und wenn du so fortfährst, wirst du die höchste päpstliche Gunst erwerben.«
Ignacio war entschlossen, ein neuer, erfolgreicherer Thomas Torquemada zu werden. Seine Gedanken konzentrierten sich wieder auf den Burschen, der da so selbstsicher in Ketten vor ihm stand. »Ihr werdet bezichtigt, am helllichten Tag Geister und Dämonen angerufen sowie Zwiesprache mit ihnen gehalten zu haben.«
»Wer behauptet das?«
»Das werde ich Euch nicht sagen. Ich fordere Euch auf, zu dieser ernsten Anschuldigung Stellung zu nehmen.«
»Wenn das alles ist«, Vitus hob die Hände, wobei seine Kette klirrte, »ich weiß wirklich nicht, wovon Ihr sprecht.«
»Dann will ich versuchen, Eurem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Ihr werdet ferner beschuldigt, in die Rolle Jesu Christi geschlüpft zu sein. Das ist, ich muss es Euch nicht sagen, Teufelswerk und schlimmste Gotteslästerung.«
»Ich verstehe immer noch nicht.«
Zum wiederholten Male wallte Ärger in Ignacio auf. Verstellte der Bursche sich nur, oder war er wirklich so beschränkt? Nein, Letzteres kam selbstverständlich nicht in Frage. Sein Instinkt sagte ihm, dass dieser Bursche nicht gefeit war gegen ketzerisches Gedankengut. Doch was verbarg er? Der Inquisitor beschloss, sich weiter in Geduld zu üben. Die Wahrheit würde, so es Gott dem Allmächtigen gefiel, früher oder später ans Licht kommen.
»Ihr seid in der Nähe des Dorfes Porta Mariae gesehen worden, wie Ihr, den Kopf himmelwärts gerichtet, mit einem Unsichtbaren gesprochen habt. Es mag ein Geist, ein Dämon oder der Satan selbst gewesen sein«, sagte Ignacio streng.
»Ich fürchte, ich kann Euch noch immer nicht folgen«, entgegnete Vitus achselzuckend. Doch leise regte sich ein Verdacht in ihm.
»Ihr rieft mit lauter Stimme nach einem Meister Eklund und wolltet mit ihm über mystische Figuren reden.«
Ignacio schaute in das Protokoll, das bei Vitus'
Einkerkerung aufgenommen worden war und worin sich ein gewisser Zwerg namens Askunesius geäußert hatte. Leider war dieser Zwerg nicht selbst Zeuge der Dämonenanrufung gewesen, sondern hatte sein Wissen von einem Jungen namens Ozo Perpinas aus Porta Mariae, aber immerhin ...
»Wie Euch bekannt sein dürfte«, fuhr Ignacio fort, »ist Eklund ein Name, der aus dem Norden stammt, wo heidnische Götter wie Odin und Tor noch heute verehrt werden.« Er beugte sich vor. Sein Finger stieß auf Vitus zu, als wolle er ihn durchbohren. »Gebt zu, dass der Teufel in Euch war, als Ihr mit diesem Meister Eklund spracht!«
Vitus lachte. Er lachte laut und lange. Denn endlich hatte er begriffen.
»Das Lachen wird Euch noch vergehen«, schnauzte Ignacio. Wo nahm dieser Bengel nur seine Furchtlosigkeit her? War er vielleicht begütert; ein verrückter Spross einer reichen Familie? Aus den Unterlagen ging nichts dergleichen hervor. Allerdings, man hatte festgestellt, dass der Saum seines Mantels aufgeschnitten worden war, ein Zeichen dafür, dass vordem Münzen darin gesteckt hatten. War er nun begütert oder nur ein Räuber, der selbst beraubt worden war? Angesichts dieser zwei Möglichkeiten schien es Ignacio äußerst unwahrscheinlich, dass der Bursche von Campodios kam.
»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte Vitus. »Das war unziemlich. Aber Eure Vermutungen sind einfach zu absurd. Könnt Ihr noch einmal den Namen nennen, den ich gerufen haben soll?«
»Der Name ist Eklund. Ihr rieft ihn, während Ihr mit weit auseinander gestreckten Armen dahergingt. Es wird hier glaubwürdig behauptet, dass Ihr Euch den Anschein geben wolltet, Jesus Christus zu sein.«
«Ich weiß jetzt, was Ihr meint. Es gibt für alles eine ganz einfache Erkärung: Ich rief nicht »Meister Eklund«, sondern »Meister Euklid«, und ich sprach nicht mit heidnischen Göttern, sondern zitierte die Sätze des Euklid, die Euch, da Ihr sicherlich ebenfalls in den Artes liberales unterrichtet wurdet, bekannt sein dürften.«
»Das klingt vernünftig«, ließ sich Don Jaime vernehmen.
„Aber es erklärt noch immer nicht, warum der Angeklagte, wie am Kreuze hängend, mit weit gespreizten Armen spazieren ging«, blaffte Ignacio in die Richtung des Bürgermeisters. Er ärgerte sich, dass der Alcalde ihm in den Rücken fiel. Hier
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