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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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führte er, Ignacio, die Verhandlung und sonst niemand.
    »Auch dafür gibt es einen einfachen Grund«, sagte Vitus. »Ich bin das Gehen nicht gewohnt, deshalb taten mir die Füße weh. Ich fand heraus, dass es sich besser marschieren lässt, wenn man einen Stecken quer über der Schulter trägt und die Arme darüberhängt. Das ist alles.«
    »Und das soll ich Euch glauben?« Die Erklärung erschien Ignacio zu glatt und zu selbstverständlich. Bei der Heiligen Jungfrau! Wer war bloß dieser Bursche?
    »Das ist die Wahrheit, der Allmächtige ist mein Zeuge!
    Ich hatte mich an diesem Tag von Campodios aufgemacht, um auf die Suche nach meiner Familie zu gehen. Ich wollte zunächst nach Santander. Von dort sollte mich ein Schiff nach England bringen. England war mein Ziel, weil ich mit Abt Hardinus - Gott hab ihn selig - auf seinem Sterbebett darüber sprach, dass dort die Aussichten am günstigsten wären, die Familie aufzuspüren, deren Wappen dem meinen entspricht. Mein Wappen ist auf einem Damasttuch eingewebt, das ich um den Leib trage.«
    Vitus riss seinen Mantel auseinander, sodass der rote Stoff sichtbar wurde. »Ich bin dankbar dafür, dass man es mir bei meiner Einkerkerung nicht genommen hat. Für die Reise hatte mir Abt Hardinus Goldescudos gegeben, die ich erst nicht annehmen wollte, aber er versicherte mir, dass ich Geld für meine Suche brauchen würde.«
    »Und das soll ich Euch glauben?«, wiederholte Ignacio. Er kniff die Augen zusammen und griff geistesabwesend in die Nussschale - sie war leer. Die Geschichte des Burschen klang für ihn mit jedem Satz unwahrscheinlicher. Gewiss, manches von dem, was der Angeklagte erzählte, entsprach der Wahrheit. Er, Ignacio, wusste natürlich, dass der alte Abt von Campodios Hardinus geheißen hatte und dass dieser erst vor wenigen Monaten verstorben war. Aber das wussten viele. Und dass Hardinus Goldescudos besessen haben sollte, hielt Ignacio für absolut unwahrscheinlich.
    Dennoch: die Sache mit dem Wappen, daran konnte etwas sein. War der Kerl am Ende doch ein Sohn aus reichem Hause? Wenn ja, musste man prüfen, ob seine Freilassung nicht von einem stattlichen Lösegeld abhängig gemacht werden konnte. Doch so weit war es noch nicht.
    »Und wenn Ihr zehnmal den alten Abt Hardinus gekannt habt, so könnt Ihr doch ein Ketzer sein«, erwiderte Ignacio. Sein Gefühl, dass irgendetwas mit diesem Burschen nicht stimmte, hatte sich noch verstärkt.
    »Jeder, den Ihr auf Campodios nach mir befragt, wird Euch gern bezeugen, dass ich kein Ketzer bin. Erkundigt Euch bei dem neuen Abt Gaudeck oder bei Pater Thomas oder bei Bruder Cullus. Ich sage die Wahrheit!«
    »Ich denke, dass man das überprüfen sollte, Hochwürden Ignacio«, meldete sich der Alcalde erneut zu Wort. »Es bereitet wenig Mühe, und ein Bote zu Pferde könnte innerhalb weniger Stunden wieder zurück sein.«
    Don Jaime begann sich zu langweilen, außerdem hatte er, im Gegensatz zu Hochwürden Ignacio, mittlerweile einige Zweifel an der Schuld des Angeklagten. Dazu kam, dass die Mittagszeit näher rückte und sein Magen knurrte.
    »Nun gut, ich werde sehen, was sich machen lässt«, sagte Ignacio. Ein strenger Blick streifte Vitus. »Die Verhandlung ist für heute geschlossen und wird morgen zur selben Zeit fortgesetzt.«

    »Wie war es?«, fragte der Magister gespannt. »Hast du sie von deiner Unschuld überzeugen können?«
    »Ich fürchte, nein«, seufzte Vitus. Er saß neben dem Freund im Stroh und schenkte sich einen Becher Wasser ein. »Dieser Ignacio ist ein misstrauischer Kerl. Er glaubt einem nichts, alles, was man sagt, wird einem zum Nachteil ausgelegt. Ich habe den Eindruck, der Mann hat sich selbst zum Erfolg verdammt.«
    »Glaubenseifer, der in Fanatismus ausartet, ist so ziemlich das Schlimmste, was man sich vorstellen kann«, pflichtete ihm der Magister bei. »Hat er dir mit der Folter gedroht?«
    »Bis jetzt noch nicht.«
    Der kleine Gelehrte blinzelte. »Ignacio ist unberechenbar. Als er mich verhörte, hatte ich den Eindruck, als ginge es ihm gar nicht um die Wahrheit, sondern ausschließlich um die Verurteilung. Die Wahrheit scheint ihm nur dann willkommen zu sein, wenn sie einer ketzerischen Handlung entspricht. Er gab sich gewaltige Mühe, mich zu einem »Geständnis« zu bewegen, schrie dauernd »Schwört Eurem Alchemistenglauben ab!« und Ähnliches. Aber ich habe mich geschickt verteidigt, das darf ich wohl behaupten. Allerdings ...«, er zerdrückte eine Wanze auf seinem Knie,

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