Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
Vom Netzwerk:
Können als vielmehr dem Geld seines Vaters. Simonie hieß das in einschlägigen Kreisen; gemeint war damit der Verkauf von Ämtern und Pfründen. Pater Alegrio seufzte verbittert. Auch heutzutage war es noch genauso wie vor hundert oder zweihundert Jahren: Die am meisten verehrten »Heiligen« in der Ewigen Stadt waren »Sankt Goldtaler« und »Sankt Silbergroschen«, wie der römische Volksmund sie treffend bezeichnete. Ohne die Überzeugungskraft dieser beiden konnte ein Mann noch so fähig sein, der andere, der die »Heiligcn« auf seiner Seite hatte, bekam dennoch den Posten. Doch wenn man gewissen Gerüchten Glauben schenkte, war der Lebenswandel von Ignacio nicht so untadelig, wie er eigentlich hätte sein sollen, angeblich hatte sich das schon bis nach Rom herumgesprochen. Man würde sehen, ob etwas daran war oder nicht. Und wenn ja, ob dem Inquisitor sein Geld auch in diesem Fall etwas nützen würde.
    »Es war meine Schuld, Pater Alegrio«, sagte Vitus.
    »Nunu kann nichts dafür, dass ich ihn angesprochen habe.«
    »Schon gut.«
    »Wäre es Euch recht, wenn wir etwas langsamer gingen?« Vitus fragte mit ausgesuchter Höflichkeit. »So habe ich mehr von der frischen Luft, dem Wind, der Sonne ... Im Kerker, nun, Ihr wisst selbst, wie's dort zugeht.«
    »Hm, ja.« Alegrio war kein Unmensch, zumal die Aussicht, schon in wenigen Minuten in die Dunkelheit der Folterkammer hinabsteigen zu müssen, auch für ihn nicht verlockend war. »Nunu, geh etwas langsamer.«
    Nunu gehorchte. Dann blieb er plötzlich stehen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Plaza hatte er einen kleinen Mann in einem gelbroten Kostüm entdeckt. Der Kleine gestikulierte wild vor einer Gruppe Frauen, die wie gebannt jede seiner Bewegungen verfolgten.
    »'s is der Narr Locolito!«, rief der Koloss freudig aus. Auch Vitus und Pater Alegrio sahen jetzt das bunt gekleidete Männchen. Unbewusst änderten sie ihre Richtung und traten näher. Der Narr trug auf dem rechten Zeigefinger eine Puppe, die glatzköpfig war und in einer prächtigen, purpurfarbenen Kutte steckte.
    Locolito wandte sich an die Puppe: »Verzeihung, darf ich fragen, ob Ihr jetzt könnt, Hochwürden?«
    »Ich kann immer!« Die Puppe sprach mit quäkendem Tonfall und breitete großspurig die Arme aus.
    »Ihr könnt immer?«, fragte Locolito, der jetzt wieder mit eigener Stimme sprach. »Donnerwetter!« Die Frauen hielten sich kichernd die Hand vor den Mund. »Mit Gottes Hilfe!«, quäkte die Puppe.
    Nunu beobachtete wie gebannt den Miniaturmönch auf dem Finger. In seinen Gesichtszügen arbeitete es: »Das is ... das is garnich die Puppe, du redst mit 'm Bauch, Locolito, stimmt's?«, platzte er dazwischen.
    »Pssssst!«, machten die Leute. Locolito blickte ärgerlich.
    »Mit Gottes Hilfe!«, quäkte die Puppe abermals. »Aha, mit Gottes Hilfe.«, Locolito nickte verständig. »Aber doch nicht ohne Frau?«
    »Nicht ohne Frau, nicht ohne Frau!«, bestätigte Hochwürden.
    »Aber habt Ihr denn nicht das Keuschheitsgelübde abgelegt?« Locolito drohte Hochwürden mit dem anderen Zeigefinger. »Dochdochdoch!« Die Puppe nickte eifrig. »Natürlich habe ich es abgelegt.« Der kleine Kopf senkte sich, als suche er etwas auf dem Boden. »Ich weiß nur nicht mehr, wo!« Die Frauen kreischten auf. Derlei Spaße waren nach ihrem Geschmack.
    Nunu glotzte mit offenem Mund. Er hatte nichts verstanden. »Wenn Ihr schon Euer Gelübde nicht findet, wo treibt Ihr denn eure Frauen auf?«, verlangte der Narr zu wissen. »Darauf kannst du dir keinen Reim machen, was?«, gab die Puppe selbstzufrieden zurück. »Aber ich!
    So gib denn Acht:
    Nicht im Wald, nicht im Feld, im Hurenhaus für teuer Geld.« Wieder kreischten die Frauen. Nunu lachte dröhnend.
    »Und woher habt Ihr das viele Geld, Hochwürden?«, wollte Locolito mit gespielter Verwunderung wissen. Er holte tief Luft und präzisierte seine Frage, indem er wie ein gregorianischer Chormönch sang: »Seid Ihr denn reicher Leute So-hooohn?« Hochwürden schüttelte den Kopf, hob die Arme und antwortete in ähnlich quäkendem Singsang:
    »Inquisitio-hooon!«
    Locolito holte abermals Luft und sang laut die nächste Frage heraus:
    »Was ruft der Papst auf seinem Thro-hooon?«
    Hochwürden antwortete prompt: »Inquisitio-hooon!«
    »Wo fließt das Blut so rot wie Mo-hooohn?«
    »Inquisitio - hooon!«
    »Schluss jetzt!« Pater Alegrio stieß den Narren zur Seite. »Genug der Posse. Das ist nicht mehr witzig. Wer über so etwas lacht, riskiert seine

Weitere Kostenlose Bücher