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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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ihr beide«, er wandte sich Ozo und seiner Mutter zu, »seid entlassen. Ich danke euch, und vergesst den Schwur nicht, den ihr geleistet habt.«
    Maria machte scheu einen Knicks und bekreuzigte sich.
    »Hochwürden, ich ...«
    »Genug!« Ignacio machte eine herrische Geste zu Nunu. Der Koloss drängte die zwei aus dem Raum.
    »Nun zurück zu Euch.« Ignacio musterte Vitus scharf.
    »Ich verbiete Euch, den heiligen Orden der Dominikaner zu verunglimpfen! Eine solche Schmutzbesudelung aller Brüder und ganz besonders unseres Gründers, des heiligen Dominikus, ist bis jetzt noch immer auf denjenigen zurückgekommen, der sie ausgesprochen hat.«
    »Darum mache ich mir keine Sorgen, denn die Bezeichnung ist durchaus zutreffend. Schon Euer Gründer Dominikus war derart von fanatischem Glaubenseifer durchdrungen, dass er kurz nach der Ordensgründung nicht weniger als dreihundert so genannte Ketzer in Burgos verbrennen ließ.«
    »Das ist nicht wahr!«, keuchte Ignacio.
    »Das ist wahr, und Ihr wisst es. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn Papst Innozenz anno 1215 Eurer Ordensgmeinschaft die Approbation nicht erteilt hätte, wie er es zunächst vorhatte.«
    »Wollt Ihr mir eine Lehrstunde über meinen eigenen Orden erteilen? Wenn Ihr so viel wisst, dann ist Euch sicher auch bekannt, dass Innozenz bald darauf einen Traum hatte, in dem die Basilika des Laterans schwankte und umgefallen wäre, wenn es nicht einen Mann gegeben hätte, der sie mit seinen starken Schultern stützen konnte - und dieser Mann war Dominikus! So von Gott belehrt, dass das zusammenbrechende Gebäude der Kirche nur von einem Mann mit derart religiösem Eifer gehalten werden könne, billigte er die Gründung des Ordens.« Ignacios Laune hob sich wieder. »Was wollt Ihr mit Euren unerhörten Beleidigungen überhaupt bezwecken?«, fragte er.
    »Ich will Euch davon überzeugen, dass ich ein Klosterschüler auf Campodios war. Ihr verlangt von mir einerseits ständig Beweise für meine Unschuld, gebt mir andererseits aber nicht die Möglichkeit, sie zu liefern. Also nenne ich Euch einen anderen Beweis für meine Herkunft: Ich kenne mich gut in Kirchengeschichte aus. Ein Wissen, das sich, wie Ihr zugeben werdet, kaum außerhalb von Klostermauern erwerben lässt.«
    »Ich verbitte mir nochmals, dass Ihr Dominikus und die erlesensten Köpfe unseres Ordens angreift. Ihr habt Euch damit aufs Schlimmste versündigt! Jedes weitere Wort, und ich übergebe Euch Nunu und der Folter, damit Euch diese Teufelsgedanken ausgetrieben werden. Wer so redet wie Ihr, kann nur vom Satan besessen sein!«
    "Und ich sage Euch offen, dass Ihr verblendet seid.«
    Nur für einen kurzen Moment war Vitus sich der Gefahr bewusst, in der er sich befand. Er musste an die warnenden Worte des Magisters denken. Aber er wollte jetzt nicht zurückstecken:
    Warum könnt Ihr nicht glauben, dass ich ein ganz normaler Mensch bin, der nach Santander wollte?«, fragte er eindringlich. »Wenn mich dieser kleine Wichtigtuer Ozo nicht zufällig gesehen hätte, und wenn seine pubertäre Phantasie nicht mit ihm durchgegangen wäre, würde ich heute nicht hier stehen. Habt Ihr das einmal bedacht?«
    »Die Tatsache, dass Ihr gesehen wurdet, ist Gottes Wink, den Ihr als solchen nicht zu erkennen vermögt. Gott wollte damit der Inquisition ein Zeichen geben, denn der himmlische Vater selbst«, Ignacios Stimme nahm einen ironischen Ton an, »das wird Euch als Kirchengeschichtskenner interessieren, der himmlische Vater selbst also war der erste Inquisitor überhaupt. Er saß über Adam und Eva zu Gericht, nachdem der Teufel in Gestalt der Schlange sie versucht hatte. Jetzt aber bin ich Euer Inquisitor, und ich verlange die Wahrheit!« »Wollt Ihr Euch mit Gott vergleichen?«
    »Allmächtiger im Himmel, strafe diese elende Kreatur für ihre ketzerischen Worte!« Ignacio rang in echter Verzweiflung die Hände. »Gottvater, gib mir die Kraft, diesem Satan in Menschengestalt gründlich das Handwerk zu legen, gib mir Geduld und Zähigkeit, gib mir Scharfsinn und Erkenntnis, auf dass dieser Ketzer die Wahrheit erkenne und sie vor Dir und der Welt endlich aussprechen möge!«
    Er setzte sich, bemüht, seine Fassung wiederzugewinnen. Die Frage, ob er sich mit Gott vergleichen wolle, hatte ihn allzu sehr daran erinnert, welch schwacher Mensch er mitunter war. Die häufigen Besuche bei Elvira, der köstlichen Hure, waren ein beredtes Zeugnis dafür. Oft hatte er sich für seinen Trieb geschämt und den Herrn

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