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Der Wandermoerder

Der Wandermoerder

Titel: Der Wandermoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Starr
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Geschichte vom Hundebiss durch und erwähnte auch andere Vorkommnisse, von denen Vacher behauptete, sie hätten bei ihm eine geistige Verwirrung ausgelöst. Dann kam er auf Vachers Argument zu sprechen, die bloße Zahl seiner Morde beweise seine Unzurechnungsfähigkeit.
    »Sie sind also der Meinung, dass die Zahl Ihrer Verbrechen ein Beweis für Ihre Geisteskrankheit ist«, sagte de Coston.
    »Natürlich«, erwiderte Vacher. »Die Zahl und die Grausamkeit. Ein normaler Mensch wäre dazu nicht fähig.«
    Dann erkundigte de Coston sich danach, warum Vacher so begeistert sei von Johanna von Orl é ans. Vacher erklärte, dass einer seiner Zellengenossen in Belley ihm eine Biografie geliehen habe, »und ich war verblüfft, wie ähnlich ihre Mission der meinen war«. Die Zuschauer begannen zu murren. »Ja«, bekräftigte Vacher und übertönte den Lärm, »sie war eine große Märtyrerin wie ich, wenn auch in einer anderen Gestalt und in einer anderen Zeit. Ich liebe sie, wie ich Christus liebe, der zu seiner Zeit ebenfalls ein großer Erlöser war.«
    De Coston fuhr fort: »Den Fachärzten zufolge simulieren Sie. Ihre beiden Ausreden sind einmal die Geschichte mit dem kranken Hund und zweitens Ihre angebliche Mission. Aber die beiden Dinge passen nicht zusammen.«
    »Das können Sie leicht behaupten«, erwiderte Vacher zunehmend erregt. »Aber Sie wissen nicht, was ich denke oder dachte. Hätten Sie mich da draußen als wildes Tier gesehen, als die Sonne meinen armen Kopf halb totschlug, würden Sie nicht sagen, dass ich geistig gesund sei, Sie Monster.« Dann brüllte er: »Ja – Monster! «
    Einige Zuschauer schrien empört auf.
    »Beleidigungen von einem Halunken wie Ihnen können in diesem Gerichtssaal nicht hingenommen werden«, mahnte de Coston, während der Aufruhr im Saal zunahm.
    »Nennen Sie mich nicht einen Halunken! Aber wenn ich einer bin, dann ist das Ihre Schuld – ja, Ihre Schuld als Vertreter der Gesellschaft.«
    »So geht das nicht weiter. Wir können nicht zulassen, dass Sie diese Verhandlung weiter stören.«
    »Tun Sie doch, was Sie wollen, Sie Elender! Was mich betrifft, so bin ich gerechtfertigt vor Gott, und es ist mir völlig egal, was die Leute denken.«
    De Coston drohte, den Angeklagten aus dem Saal entfernen zu lassen und die Sitzung ohne ihn fortzusetzen. Doch Charbonnier bat das Gericht um etwas Geduld mit seinem Mandanten. Der Mann sei aufgeregt und brauche etwas Ruhe. Dann sprach er leise auf Vacher ein, und es gelang ihm, ihn zu beruhigen. Es war zehn Uhr morgens.
    Den Rest des Morgens verbrachte der Präsident damit, Zeugen aus Bénonces zu befragen. Portaliers Chef Jacques Berger berichtete, Victor sei ein scheuer und sanfter junger Mann gewesen. Victors Freund Jean-Marie Robin beschrieb, wie er Victor gesucht habe, als seine Kühe den Berg hinuntergetrottet seien, und wie er den verstümmelten Körper seines Freundes gefunden habe. Joseph Marcel, der Feldhüter, gab an, nach seiner Ankunft auf der Wiese die Gendarmen verständigt zu haben. Andere Leute hatten Vacher in den Stunden vor dem Mord in der Umgebung gesehen. Eine Frau erzählte, dass Vacher sie am Tag des Mordes um Milch angebettelt habe und dann furchtbar wütend geworden sei, als sie ihm gesagt habe, dass keine Milch da sei. Vacher versuchte, ihre Worte gegen sie selbst zu richten. Hätte sie ihm Milch gegeben, behauptete er, wäre das Verbrechen vielleicht nie begangen worden. Die Sonne mache ihn verrückt, aber Milch beruhige ihn manchmal. Weil diese Frau geizig gewesen sei, sei sie für den Mord ebenso verantwortlich wie er. Dann schilderte ein junger Hirte namens Alexandre Léger nervös, dass Vacher versucht habe, ihn in den Wald zu locken.
    »Hab keine Angst, mein Junge«, versuchte der Präsident ihn zu beruhigen und deutete auf Vacher. »Er wird gut bewacht.«
    Doch Vacher rollte wild mit den Augen und schrie: »Schau mich an!«
    »Versuchen Sie nicht , das Kind einzuschüchtern«, mahnte der Präsident.
    »Das will ich doch gar nicht«, meinte Vacher. » Sie beeinflussen ihn. Was er sagt, ist falsch.«
    Nach der Mittagspause kehrte Vacher ruhig zu seiner Bank zurück. Dann hielt er ein Schild in die Höhe, auf das er geschrieben hatte: »Joseph Vacher, der große Märtyrer unserer Gesellschaft zurzeit der Jahrhundertwende und Werkzeug des göttlichen Willens.« Er schwenkte es in Richtung der Journalisten, um zu zeigen, wie wichtig es war.
    Als die Zuschauer wieder in den Saal strömten, ließen sie ihre guten

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