Der Wandermoerder
reinlegen.«
Nach und nach gewann Fourquet tatsächlich Vachers Vertrauen. In den nächsten Tagen bat er ihn, seine Beobachtungen auf dem Land zu beschreiben. Vacher erklärte, dass die Menschen in der Bretagne und in Savoyen gastfreundlich seien, die in der Gegend von Tours stünden Fremden jedoch distanziert gegenüber. Unauffällig begann Fourquet damit, ihn in bestimmte Richtungen zu lenken.
»Ihr Vagabunden habt es eigentlich ganz gut«, meinte er. »Ihr lebt kostenlos an der Riviera, während wir hier im Schnee frieren. So etwas bekommt ein Beamter wie ich nicht geboten. Sie waren doch in Nizza, oder?«
»Ja. Ich bin auch nach Menton gegangen, um eine meiner Schwestern zu besuchen, die 1894 dort wohnte. Einmal im April und noch einmal im November.«
Fourquet erinnerte sich daran, dass Louise Marcel im November 1894 in dieser Gegend ermordet worden war. Er erkundigte sich auch nach anderen Städten und Orten. Vacher erwähnte, er habe unter anderem auch Lourdes besucht.
»Lourdes? Zu Fuß? Unmöglich!«
Vacher erwiderte stolz, dass er nicht nur nach Lourdes gepilgert sei, sondern den größten Teil des Landes zu Fuß durchwandert habe. Fourquet führte Vacher daraufhin zu einer Karte an der Wand. Mit Vachers Hilfe fuhr er mit dem Finger über mehrere Departements und Dörfer, die Vacher besucht hatte. Während sein Finger verschiedene Orte passierte, dachte er an die unaufgeklärten Morde. Beiläufig, um Vacher nicht zu erschrecken, strich er auch über ein Gebiet südwestlich von Lyon, wo im September ein Mord begangen worden war. Vacher hatte erwähnt, dass er in dieser Gegend einige Male gefährlich gestürzt sei. Um den Zweck seiner Frage zu verschleiern, meinte Fourquet: »Dann sind Sie wohl im Schnee ausgerutscht, als Sie über diese Felsen gefallen sind.«
Nein, erwiderte Vacher, er sei im September dort gewesen, als noch kein Schnee gelegen habe. Ja, dachte Fourquet. Der Verdächtige sagte weiter, er sei im November nach Var und dann nach Varenne gewandert. Noch einmal ja! Fourquet wusste von Verbrechen zu dieser Zeit und an diesen Orten: Louise Marcel war im November 1894 im Var ermordet worden, Marie Moussier im September 1896 und Rosine Rodier einige Wochen später. So ging das zwanglose Gespräch weiter. Vacher erzählte von den Abenteuern eines Vagabunden, und Fourquet machte sich im Geiste Notizen für seine Tabellen. Später zeichnete er eine Reihe von Karten, auf denen er Vachers Zickzack-Reiseroute und die Tatorte eintrug. »Langsam wurde es sehr interessant«, schrieb er.
Am 7. Oktober stellte Fourquet dem Verdächtigen ein Dutzend Leute aus Bénonces gegenüber, einen nach dem anderen. Zehn der zwölf Zeugen identifizierten ihn eindeutig als den Landstreicher, den sie am Tag vor Victor Portaliers Ermordung gesehen hatten. Zwei waren zu verängstigt, um eine Aussage zu machen, bestätigten aber später, dass Vacher tatsächlich der Mann sei. Eine Frau schrie Vacher an, um sie einzuschüchtern.
»Sie wagen es zu behaupten, Madame, Sie hätten mich in Ihrer Gegend gesehen? Sie sind eine Lügnerin. Ich bin nie dort gewesen – weder 1895 noch zu einer anderen Zeit, ist das klar?«
Die Frau blieb unbeeindruckt. »Sie sind der Lügner, Monsieur. Sie klopften am Morgen des Verbrechens gegen acht Uhr an meine Haustür, und ich habe Ihnen Suppe gegeben. Und ich erinnere mich noch gut daran, dass ich zu Ihnen sagte, ich sei nicht sehr reich, und dass Sie antworteten: ›Die Reichen geben nicht am meisten.‹«
Vacher wich zurück und stieß dabei Drohungen aus.
Jetzt war es an der Zeit, die Falle zuschnappen zu lassen. Bewaffnet mit den Zeugenaussagen und den Informationen über Vachers Reiseroute, wies Fourquet die Wärter an, den Häftling in sein Büro zu bringen. Er begann mit einer Ansprache, die, wie er hoffte, den Widerstand des Verdächtigen brechen würde.
»Als Sie zu uns gebracht wurden, glaubte ich kurze Zeit, dass Sie nicht lange hierbleiben würden. Ich ging wirklich davon aus, dass keiner der Zeugen Sie erkennen würde. Aber heute hat sich alles geändert. Jeder Zeuge hat Sie zweifelsfrei identifiziert … Es ist daher eindeutig bewiesen, dass Sie einen jungen Schäfer aus Bénonces ermordet haben.«
Außerdem, sagte Fourquet, wisse er, dass Vacher viele Menschen in mehreren Regionen des Landes getötet habe. »Ich werde Ihnen beweisen, dass ich alles weiß, was Sie getan haben … Sie waren den Behörden bereits bekannt. Es ging nur noch darum, Sie festzunehmen.«
Dann
Weitere Kostenlose Bücher