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Der Wandermoerder

Der Wandermoerder

Titel: Der Wandermoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Starr
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spuckte Fourquet in rascher Folge alles aus, was er über Vachers blutige Wanderung wusste oder zu wissen glaubte. Mit einer unheilvollen Stimme, die keinerlei Zweifel erkennen ließ, zählte Fourquet auf, dass Vacher am 20. November 1894 die dreizehnjährige Louise Marcel ermordet und ihre Leiche in einer abgelegenen Scheune verstümmelt hatte, dass er am 12. Mai 1895 die siebzehnjährige Augustine Mortureux am Rande der Hauptstraße von Dijon nach Paris getötet hatte, dass er am 24. August 1895 eine alte Frau, die Witwe Morand, in ihrem Haus in Savoyen und acht Tage später in Bénonces den sechzehnjährigen Victor Portalier, der auf einer Wiese seine Kühe gehütet hatte, getötet hatte. Er erzählte, dass Vacher in die Ardèche gewandert sei, wo er am 29. September 1895 einen vierzehnjährigen Hirten namens Pierre Massot-Pellet ermordet hatte, dass er im folgenden Jahr die neunzehnjährige Marie Moussier getötet hatte, während sie ihre Herde gehütet hatte, dass er eine vierzehnjährige Hirtin namens Rosine Rodier ermordet und am 18. Juni 1897 auf einer Straße bei Lyon zwischen elf Uhr und Mitternacht einen dreizehnjährigen Jungen namens Pierre Laurent getötet hatte, der mit zwei Kühen auf dem Heimweg gewesen war.
    Das alles spulte er ohne Unterbrechung herunter. Eine Flut von Beschuldigungen und Verbrechen, von denen Vacher niemals gedacht hätte, dass jemand eine Verbindung zwischen ihnen herstellen würde.
    »Ich sollte noch hinzufügen, dass Sie alle diese Opfer missbraucht oder verstümmelt haben«, ergänzte Fourquet. »Zahlreiche Zeugen haben Sie gesehen und erkannt, und ich werde sie zu mir bestellen, damit sie Sie identifizieren können. Wärter, bringen Sie ihn zurück in seine Zelle.«
    Die Wirkung dieses Vortrags war »so heftig, so unerwartet, so befremdlich«, erinnerte sich Fourquet, dass der Verdächtige nicht mehr die Kraft hatte zu widersprechen. »Er verließ mein Büro bleich und taumelnd wie ein Betrunkener.«
    Gegen sieben Uhr an diesem Abend saß Fourquet gerade beim Essen, als einer der Wärter anklopfte. Er hatte einen Brief von Vacher dabei – ein unterschriebenes Geständnis. Es begann mit einem vorangestellten Motto in Druckbuchstaben, das Vacher zu einem Markenzeichen seiner Niederschriften machen sollte:
    Gott – Rechte – Pflichten
    [Dieu – Droits – Devoirs]
    Belley, 7. Oktober 1897
    An Frankreich
    Umso schlimmer für euch, wenn ihr meint, ich sei schuldig. Ich bemitleide euch wegen eurer Handlungsweise. Wenn ich über mein Unglück geschwiegen habe, dann deshalb, weil ich glaubte, das sei im allgemeinen Interesse; aber weil ich offensichtlich missverstanden werde, will ich euch die ganze Wahrheit verkünden. Ja, ich habe all die Verbrechen begangen, die ihr mir vorwerft … und alle in einem Augenblick der rasenden Wut. Wie ich dem Gefängnisarzt bereits mitgeteilt habe, wurde ich etwa im Alter von sieben oder acht Jahren von einem tollwütigen Hund gebissen; aber ganz sicher bin ich mir dessen nicht, obwohl ich mich daran erinnere, eine Arznei eingenommen zu haben. Nur meine Eltern können euch von den Bissen berichten. Was mich betrifft, so habe ich immer geglaubt … dass die Medizin mein Blut vergiftet hat.
    In seinem weitschweifigen Brief erwähnte Vacher, dass er oft einen Drang zum Töten verspüre; dies habe er seinem Bruder in Genf gestanden. Schon als Vierzehnjähriger habe er bei der Arbeit auf dem Feld bisweilen Lust gehabt, jemanden umzubringen. Diesen Drang habe er jedoch dadurch unterdrückt, dass er bis zur Erschöpfung gewandert sei. Zum Glück sei ihm während dieser strammen Märsche nie jemand begegnet. Irgendwann sei der Trieb dann aber so stark geworden, dass er ihm nicht mehr habe widerstehen können.
    Jetzt habe er sich zu einem Geständnis entschlossen, schrieb er, weil »ich fürchtete, die boshafte Welt werde meinen armen Eltern die Schuld geben, die so viel leiden mussten … seitdem ich durch Frankreich schweife wie ein tollwütiges [Tier] und mich nur mithilfe der Sonne orientiere.« Zum Schluss folgte eine Art Segen:
    Mögen jene, die glauben, um mich zu weinen, um sich selbst weinen.
    Es wäre besser für sie, an meiner Stelle zu sein.
    Helft euch selbst, dann wird Gott, der alles möglich macht und dessen Gründe kein Mensch verstehen kann, euch helfen.
    Gezeichnet, Vacher J.
    Fourquet wusste, dass dieses Geständnis nur ein Anfang war. Das Papier war eine Ansammlung weitschweifiger, selbstgerechter Aussagen ohne die entscheidenden

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