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Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
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fair.
    »Ich werde ihn so vermissen«, sagte Will.
    »Ich auch«, sagte sie.
    Dann schloss sie die Augen und griff mit der anderen Hand hilfesuchend nach Leon. Sie spürte seine Finger, wie sie ihren Griff schwach, aber bestimmt erwiderten, und tief in ihrem Innersten, am einsamsten Platz ihrer Selbst, mischte sich ihre Trauer um Peter untrennbar mit der Dankbarkeit dafür, dass Leon noch am Leben war.
    Eine Kugel war in Leons Brust eingedrungen und in seiner linken Schulter steckengeblieben. Eine weitere saß etwas tiefer in seiner rechten Seite. Eine dritte hatte eine tiefe Spur über seinen Rücken gezogen, war aber nicht steckengeblieben. Sobald sich Leons Zustand stabilisiert hatte, konnte Myrna die Kugeln entfernen und ihn frisch verbinden.
    »Er braucht noch Ruhe«, sagte sie, als sie tags darauf seinen Puls maß. Anscheinend war sie mit seinen Fortschritten aber zufrieden. »Kannst du dafür sorgen, dass er die auch kriegt?«
    »Das werde ich schon«, sagte Gaia.
    Am liebsten hätte sie ihn nach Wharfton in ihr Elternhaus gebracht, wo sie sich ungestört hätten erholen können, doch er war noch immer zu schwach für einen Transport, und sie wurde hier gebraucht, in der Enklave. Er lag in einem kleinen, hellen Gästezimmer der Bastion, das einen schönen Blick über den Platz bot und keine unwillkommenen Erinnerungen wachrief. Durch die Fenster drang der Widerhall von Hammerschlägen. Handwerker reparierten die Schäden der gestrigen Schlacht.
    Wenn sich doch bloß die Gesellschaft genauso leicht reparieren ließe. Der Protektor war abgesetzt und saß im Gefängnis, doch das Gerangel um die Macht war voll entbrannt. Bruder Iris hatte bei dem Kampf auf der Terrasse den Tod gefunden – ob durch Zufall oder einen gezielten Racheakt, würde Gaia nie erfahren.
    Stunden hatte sie an diesem Morgen mit dem Versuch zugebracht, gemeinsam mit den Anführern New Sylums, Wharftons und der Enklave das Chaos der Rebellion zu ordnen und eine Entscheidung zu treffen, wer von der alten Führungsriege verhaftet werden musste. Sie hatte Teams abgestellt, die sich um die Versorgung mit Wasser, Strom und Medizin kümmerten, während andere eine neue Verfassung ausarbeiteten, die jedem Mann und jeder Frau gleiche Rechte garantierte.
    Bald würde es Wahlen geben. Gaia, die das alles erst kürzlich in Sylum mitgemacht hatte, war sich der Menge an Arbeit, die da auf sie zukam, vollauf bewusst.
    Sie ließ den Blick auf Leons Gesicht ruhen. Er drehte im Schlaf den Kopf, befeuchtete sich kurz die Lippen und lag dann wieder ganz ruhig und entspannt.
    »Und wie geht es dir?«, fragte Myrna.
    Gaia studierte die versengte Haut ihrer Fingerspitzen, wo Bruder Iris ihr die elektrischen Kontakte festgeklemmt hatte, als ob sie ein Maß all ihrer Schmerzen darstellten. Ihr Unterleib tat immer noch weh. Ihre Haut war nicht mehr so überempfindlich, dafür hatte sich eine merkwürdige Stumpfheit wie eine Decke über ihren ganzen Körper gelegt, die nicht von der Müdigkeit oder dem Blutverlust herrührte. Sie fühlte sich auch nicht benommen, sondern wacher denn je.
    »Mir ist, als würde ich auf etwas warten … Dabei warte ich auf gar nichts.«
    Myrna lächelte wehmütig. »Ich meinte jetzt mehr körperlich als poetisch gesprochen. Wieso trägst du immer noch das Ding da?«
    Gaia warf einen Blick auf das leuchtende blaue Band an ihrem Arm, für das sie so teuer bezahlt hatte. Dann streckte sie Myrna die Hand hin, und die Ärztin durchschnitt es mit einer spitzen Schere.
    »Lass mich mal nach deinen Nähten sehen.«
    Gaia entblößte ihren Bauch und löste den Verband, damit Myrna sich ein Bild von den Fortschritten ihrer Heilung machen konnte. Sie wirkte zufrieden.
    »Ich bin so dankbar für Maya«, sagte Gaia und kleidete sich wieder an. Bei all dem Leid und den neuen Aufgaben hatte sie noch nicht viel Gelegenheit gehabt, darüber nachzudenken, was der Eingriff für ihre Zukunft bedeutete – allmählich jedoch begann sie es zu begreifen. »Es besteht aber noch Hoffnung, dass ich vielleicht doch irgendwann Kinder habe, oder nicht?«
    Myrna verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie denn?«
    »Sephie hat mir die Eierstöcke herausgenommen, aber nicht meine Gebärmutter. Wenn wir nun meine Eizellen nähmen, könnten wir sie dann nicht künstlich befruchten und mir wieder einsetzen? Ich könnte doch meine eigene Leihmutter sein.«
    Myrna packte ihre Verbandssachen zusammen.
    »Myrna?«
    »Theoretisch und mit den richtigen Hormonen wohl schon«,

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