Der Weg der gefallenen Sterne: Roman
sagte sie. »Wir haben es noch nicht probiert. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie gut die Chancen dafür stehen.«
Gaia trat an Leons Bett und schlang die Arme um ihren Leib. »Der Protektor sprach von Dutzenden Kindern aus meinen Eizellen. Findest du nicht, Leon und ich sollten wenigstens eins davon kriegen?«
»Es wäre aber nicht Leons Kind«, sagte Myrna.
»Wieso denn nicht?«
»Willst du das wirklich wissen?«
»Natürlich. Erklär es mir.«
Myrna trat ans Fenster, sodass sich das weiche Licht auf ihrem weißen Haar spiegelte. »Deine Eizellen wurden verkauft, sofort nachdem Bruder Rhodeski erfuhr, dass jemand wie du überhaupt existiert. Fünfzig reiche Familien haben sich gegenseitig überboten. Sephie hatte schon alles vorbereitet. Deine Eizellen wurden befruchtet, kaum dass sie dir entnommen wurden.«
»Es gibt keine eingefrorenen mehr irgendwo?«
Myrna schüttelte den Kopf. »Sie halten sich besser, sobald sie befruchtet wurden und mit der Teilung begonnen haben. Sie befinden sich nun in Petrischalen – jede von ihnen ein kleines Vermögen wert.«
Am liebsten wäre Gaia da losgezogen, um all diese Schalen zu stehlen oder kaputtzuschlagen. Sie litt solche Qualen, dass sie kaum noch Luft bekam.
»Also werden Leon und ich nie eigene Kinder haben?«
»Es tut mir leid«, sagte Myrna, mitfühlender denn je. »Es tut mir wirklich sehr leid.«
Gaia warf einen müden Blick auf Leons Bett und beschloss, dass noch genug Platz für sie an seiner Seite war. Das Ende ihres Kinderwunschs war ein eigenartiges, schwer zu beschreibendes Gefühl; wie das Verblassen eines Traums, dessen sie sich zuvor kaum bewusst gewesen war. »Ich glaube nicht, dass ich es zum nächsten Treffen schaffe«, murmelte sie. »Sag Will, er soll mich vertreten.«
»Du hast selbst gesagt, dass du noch Maya hast«, erinnerte Myrna sie. »Und vielleicht kannst du Kinder adoptieren.«
»Hast du vergessen, wie wenige Kinder es gibt? Versuch nicht, mich aufzuheitern. Das ist zwecklos.«
»Du bist immer noch Hebamme.«
Gaia lachte bitter auf. Wie es wohl sein würde, sich um schwangere Frauen zu kümmern, wenn sie selbst nie Mutter werden konnte? »Richtig. Ich schätze, ich kann zumindest ein paar Babys entbinden, falls ich zwischen den ganzen Beerdigungen noch Zeit dafür habe.«
Myrna drückte ihr liebevoll die Schulter. »Es wird im mer jemand beerdigt und jemand geboren, Gaia. Das ist der Lauf der Welt.«
»Ich weiß. Ich hätte bloß nie damit gerechnet, dass alles gewissermaßen ein und dasselbe ist.« Sie schlüpfte ins Bett und kuschelte sich an Leons Seite.
Myrna zog die Stirn kraus. »Ich weiß nicht, ob mir diese dunkle Seite an dir gefällt.«
Gaia aber schloss die Augen und hoffte, dass Myrna ging, bevor ihr Kummer sie völlig überwältigte. Sie hörte, wie die Ärztin erst das eine, dann das andere Fenster schloss und die Geräusche des Platzes aussperrte. Dann schloss sich leise die Tür hinter ihr.
24 Lange Schatten
»Sie will schon wieder ihren Hut abziehen.«
Gaia versuchte, ihrer kleinen Schwester den Hut auf dem weichen, verstrubbelten Haar zu richten, doch sie hatte einen Topf frischer Kräuter in den Händen.
»Ich mach das schon«, sagte Leon. »So, Maya. Halt mal still.« Er kniete sich vor sie hin und schaffte es trotz seines geschienten Arms, ihr das Hutband unter dem Kinn festzubinden. »Der Hut bleibt auf. Gaia und ich tragen auch einen Hut, siehst du? Da, nimm meine Hand.«
Die Kleine streckte strahlend beide Hände aus, und Leon hob sie hoch und setzte sie sich unter Gaias fürsorglichem Blick auf den gesunden Arm. Seine Genesung hatte sich aufgrund einer Entzündung lange verzögert, und Gaia wusste, dass ihre Schwester schwerer war, als sie aussah.
Leon aber lächelte fröhlich.
»Du brauchst mich nicht mehr zu verhätscheln«, sagte er.
»Ich habe doch gar nichts …«
»Komm mal her.« Er schob sich den Hut aus der Stirn und gab Gaia über das Kind hinweg einen Kuss. »Geht es dir gut?«, fragte er zärtlich.
Sie erwiderte das Lächeln. »Natürlich.«
»Gut. Maya will nämlich auch einen Kuss.«
Sie gab Maya einen dicken Schmatzer auf die Wange, sodass sie quietschte. Dann tat Leon dasselbe, und sie quietschte wieder, worauf er sie gewinnend angrinste.
Was blieb Gaia da noch zu sagen?
Die Rebellion lag mittlerweile mehrere Wochen zurück. Sie waren gerade auf dem Weg nach Wharfton und warfen in der Nachmittagssonne lange Schatten vor sich auf den unbefestigten Weg. Als sie den Platz
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