Der Weg der gefallenen Sterne: Roman
Zukunft.«
»Genau wie ich.«
Er schaute sie an, und sie wusste, wie sinnlos es war, das Chaos in ihr vor seinem forschenden Blick verbergen zu wollen. Die Chance, ein solches Baby zur Welt zu bringen, war verschwindend gering. Sie war sich nicht sicher, ob sie das Risiko wirklich eingehen wollte, sich dieser Hoffnung hinzugeben.
»Ich will es auf keinen Fall noch schlimmer machen«, flüsterte er und zog sie an sich. »Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich alles für dich tun werde, falls du eines Tages doch ein Baby willst.«
»Und du wirst auch nicht enttäuscht sein, wenn ich’s nie versuche?«
»Natürlich nicht. Du machst mich unsagbar glücklich, Gaia – das weißt du.«
»Ich muss einfach immer daran denken, dass du jetzt meinetwegen niemals Vater werden kannst – bloß weil mit mir etwas nicht stimmt.«
Er strich ihr sanft das Haar aus dem Gesicht. »Ich bin doch schon Mayas Vater, falls dir das nicht aufgefallen ist.«
Damit hatte er völlig recht. Ihre Traurigkeit ließ ab von ihr, und sie lächelte schwach. »Doch, das habe ich bemerkt.«
Eine Biene summte lautstark vorbei. Beiläufig warf Leon seinen Hut neben dem Topf auf die Bank. »Es gibt da etwas, das ich dich fragen wollte«, sagte er.
Ihr Herz tat einen Sprung.
Er trat näher und legte die Arme um sie. »Wann wollen wir heiraten?«
»Bald«, sagte sie.
»Das hast du schon öfter gesagt. Wie wär’s denn mit morgen?«
Sie lachte, dann dachte sie darüber nach. Wieso eigentlich nicht? »Okay«, sagte sie.
Strahlend drückte er sie an sich. »Das gefällt mir schon besser.«
Dass ihr gemeinsames Glück nach all den Wirrungen und all dem Leid noch anhielt, machte es für Gaia nur umso kostbarer. Sie hob leicht das Kinn, und sein Mund war ihrem ganz nahe. Fast konnte sie sein Lachen unter ihren Fingerspitzen fühlen, tief in seiner Brust. Sie schloss die Augen und empfing seinen zärtlichen Kuss.
Sie freute sich darauf, mit ihm verheiratet zu sein.
»Wir sollten es unseren Freunden sagen.« Er küsste sie abermals.
»Ja, das sollten wir.«
Sie legte ihm den Arm um die Taille – vorsichtig, um nicht an seine Schiene zu stoßen. Er hatte nach Minze geschmeckt, fast wie der warme Schatten unter dem Baum. Sie neigte den Kopf, und er folgte ihrer Bewegung. Als seine Küsse dann ihren Hals hinabwanderten, legte sie das Kinn an und vergrub die Finger in seinem Hemd. »Ähem.«
»Schon gut«, sagte er, küsste sie noch einmal auf die Wange und löste dann seinen Griff. Als sie ihm wieder in die Augen blickte, wirkten sie noch dunkler als zuvor. »Aber das wollte ich schon eine ganze Weile tun. Du hast süß ausgesehen mit deinem Topf voller Blumen.«
»Kräuter.«
»Sollen wir den Besuch bei Myrna nicht einfach verschieben und heimgehen?«
Sie lachte. »Wir wollten uns doch ihre neue Praxis ansehen. Wo ist mein Hut?«
»Auf meinem.« Er nickte Richtung Bank.
Sie sah ihren Hut auf seinem liegen und schüttelte den Kopf. »Was für ein bedeutungsvolles Bild.«
»Man tut, was man kann.«
Sie lachte wieder. »Es wäre schön, wenn Evelyn und Rafael zur Hochzeit kämen. Deiner Mutter sollten wir auch Bescheid sagen.«
Sein Lächeln gefror, und er fuhr mit dem Daumen über das rote Bändchen an ihrem Arm. »Sie stand einfach nur da und hätte zugesehen, wie ich gehängt werde.«
Daran hatte Gaia nicht gedacht. Sie hatten sich ausgiebig über die Rebellion unterhalten, über ihre Operation, Leons Verletzungen und Pyrho und Jack, die man ebenfalls gefoltert hatte – doch es kamen immer noch Details ans Licht. Fast schien es, als würden sie nie ihren Frieden mit allem schließen können, was passiert war. Auch die alten Albträume vom Tode der Matrarch suchten Gaia wieder heim und hatten sich mit Eindrücken der Nacht vermischt, in der sie Bruder Stoltz getötet hatte. Und mehr als einmal glaubte sie in ihren Träumen einen gesichtslosen Leichnam in den Trümmern der Mauer zu sehen.
Leon seinerseits ging die Erinnerung an Gaias Folter nicht aus dem Kopf. Als er mit ansehen musste, wie Bruder Iris sie mit Stromschlägen quälte, hatte er sofort gestanden und dem Protektor auch von der Bombe am Obelisken erzählt. Doch der Protektor war nicht zufrieden gewesen, und so hatte die Folter nicht aufgehört, war im Gegenteil immer schlimmer geworden. Bruder Iris war davon besessen gewesen, jedes noch so kleine Detail in Erfahrung zu bringen, selbst als klar wurde, dass Gaia so gut wie nichts wusste. Die Erinnerung daran stürzte Leon
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