Der Weg der gefallenen Sterne: Roman
vor dem Tvaltar erreichten, herrschte dort reger Betrieb. Aus der Schmiede drang lautes Hämmern, und ein Junge mit einem Ball rannte im Slalom zwischen ein paar Tauben hindurch, die sich flatternd in die Luft erhoben. Weiter oben auf dem Hügel hatte man die Abrissarbeiten an der Mauer für heute beendet. Es blieb noch eine Menge zu tun – doch gerade im Bereich des ehemaligen Südtors waren die Fortschritte deutlich zu sehen.
Sie nickte in Richtung des verlassenen Wehrgangs. »Bist du je da oben Patrouille gelaufen?«
»Am Anfang, als ich frisch zur Wache kam. Das war vor einer halben Ewigkeit – ich brauche dringend eine neue Arbeit.«
Sie überlegte. »Du bist immer gut mit den Exkrims zurechtgekommen.«
»Ich habe tatsächlich schon überlegt, im Gefängnis zu arbeiten.« Er zögerte. »Aber ehrlich gesagt, möchte ich nicht in der Nähe des Protektors sein.«
Das konnte sie ihm nicht verübeln.
»Wir brauchen noch Leute für die Notfallhilfe. Oder die Schule – Kinder mögen dich.«
»Ich als Lehrer?«, sagte er zweifelnd.
Sie konnte es sich lebhaft vorstellen: Wahrscheinlich wäre innerhalb kürzester Zeit die Hälfte seiner weiblichen Schüler in ihn verschossen. »Nur wenn du willst. Überleg es dir.«
»Junie!«, quietschte Maya.
Josephine und Junie saßen mit Norris und Dinah an einem Tisch vor Pegs Taverne. Auch andere Gäste hatten sich unter den Sonnenschirmen versammelt. Leon setzte Maya ab, damit sie zur ihrer Freundin laufen konnte, und zog sich dann sein blaues Hemd zurecht.
»Setz dich zu uns, Senatorin«, rief Norris und hob seinen Krug.
Gaia musste über ihren neuen Titel noch immer den Kopf schütteln. »Wir kommen gleich. Erst müssen wir kurz bei Myrna vorbei.«
»Wann heiratet ihr beiden denn nun endlich?«, fragte Norris. »Eine Hochzeit könnten wir jetzt gut gebrauchen.«
Leon hob eine Braue und schaute Gaia fragend an.
»Norris«, ermahnte ihn Dinah. »Geh ihnen nicht auf die Nerven.« Sie stand auf und drückte Gaia an sich. »Achtet einfach nicht auf ihn. Sasha und ihr Großvater waren übrigens gerade hier. Lass dich mal ansehen – allmählich kriegst du wieder Farbe im Gesicht. Und die Kräuter, die du da hast, sind die für Myrna?«
»Ja«, sagte Gaia.
Leon schaute sie immer noch an und spielte seelenruhig mit seinem Ärmel.
»Was?«, fragte sie.
Er lächelte. »Ach, gar nichts. Dinah hat recht, was die Farbe in deinem Gesicht angeht.«
Einen Tisch weiter saßen Pyrho und Jack in ein Schachspiel vertieft. Angie hatte es sich neben Jack bequem gemacht und versuchte sich an einem komplizierten Holz puzzle. Weiter hinten saßen Derek, Ingrid und ihre Tochter. Derek winkte Gaia kurz zu. Dann drang Klavierspiel an ihre Ohren, und Gaia fragte sich, ob Will und Gillian wohl in der Taverne waren. In der Gesellschaft so vieler Freunde kam sie nicht umhin, auch die Abwesenden zu vermissen.
»Ich könnte schwören, dass Maya schon wieder gewachsen ist«, sagte Josephine.
»Würdest du kurz auf sie achtgeben?«, bat Gaia. »Wir sind gleich wieder zurück.«
»Na klar doch!«
Gaia und Leon schlenderten über den Platz. Eine leichte Brise vom Trockensee fuhr ihr über den Nacken. Sie wechselte den Topf mit den Kräutern auf die andere Seite und klopfte sich etwas Staub vom Rock. Dann erreichten sie den Schatten des Süßhülsenbaums, wo der würzige Duft von Harz die trockene Luft erfüllte. Leon blieb stehen.
»Du bist nicht wirklich wild auf den Besuch bei Myrna, oder?«, fragte er.
»Ich weiß, wie wichtig dir das ist.« Sie dachte nicht gern an die Operation und daran, was man ihr angetan hatte. »Für mich macht es keinen Unterschied.«
Er nahm ihr sanft den Topf ab und stellte ihn auf die Bank unter dem Baum. »Was wäre, wenn wir eine deiner Blastozysten haben könnten?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das sind nicht mehr meine.«
»Zur Hälfte schon.«
»Das heißt aber auch, dass sie’s zur Hälfte nicht sind«, widersprach sie. »Wir haben unsere Kinder verloren, Leon – wir haben sie niemals gehabt. Du kannst nicht etwas zurückbringen, das nie existiert hat.«
»Ich würde jedes deiner Kinder lieben, egal, wer der Vater ist.«
»Das weiß ich.«
»Und du doch auch. Wir könnten sicher eine der Blastozysten bekommen, wenn du wolltest.«
Sie spürte, wie die Wunde in ihr sich wieder auftat. »Was wir gemacht haben, hatte seinen Preis. Wieso kannst du das nicht akzeptieren?«
Er strich sich mit der Hand durchs Haar. »Ich denke bloß an unsere
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