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Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
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länger als vielleicht eine Stunde unterwegs zu sein, hatte sie auch nichts zu trinken mitgenommen. Einfach unglaublich, dachte sie. Wie dumm durfte man sein? Hatte sie denn in ihrer Zeit als Matrarch gar nicht an Umsicht und Besonnenheit gewonnen?
    Sie schlug den Weg ein, den sie gekommen war, und strich dabei jede Markierung durch, an der sie vorbeikam. An jeder Kreuzung nahm sie sich die Zeit, nach den grünen Zeichen zu suchen, damit ihr auch keines entging.
    Als sie dann abermals ihre 2 vor sich sah, bekam sie es mit der Angst zu tun. Sie begriff nicht, wie sie immer wieder hier vorbeikommen konnte. Sie musste irgendeinen gut versteckten Hinweis auf den ursprünglichen Weg übersehen haben – dabei hatte sie an jeder Abzweigung gründlich gesucht. Sie begriff es einfach nicht.
    »Wie soll ich hier je wieder rauskommen?«, fragte sie sich selbst.
    Sie zwang sich zu einer Pause, um die aufsteigende Panik niederzukämpfen. Also setzte sie sich und lauschte in die völlige Stille, bis sie schier davon erdrückt zu werden drohte und die Finger aneinanderrieb, einfach nur, um ein Geräusch zu hören. Sie hob die zweite ihrer vier Kerzen vor die Augen und betrachtete die Flamme. Wenn sie auch nur ein kleines bisschen flackerte, wäre dies der Hinweis auf einen Luftzug, der einen Ausweg verhieß.
    Doch sie flackerte nicht. Alles, was Gaia sah, als sie den Blick von der Flamme abwandte, waren Nachbilder auf ihrer Netzhaut, Schatten an den Wänden.
    Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und stellte mit Bestürzung fest, dass schon mehr als vier Stunden vergangen waren. Draußen musste es fast Mittag sein. Vielleicht hatte Leon die Tunnel in der Zwischenzeit längst wieder verlassen.
    Dort unten sind sogar schon Schmuggler ums Leben gekommen, hatte Mace gesagt.
    Dasselbe konnte ihr auch passieren. Sie hatte sich vollkommen verlaufen. Sie schloss die Augen und wischte sich die Tränen von den Wangen.
    Der Gedanke an ihren Tod führte ihr eins aber mit beißender Klarheit vor Augen: Sie wollte Leon heiraten, Maya großziehen, als Hebamme arbeiten und irgendwann eigene Kinder bekommen. Punkt. Alles andere – all die Arbeit und Diplomatie und auch die Enttäuschungen, die ihre Position als Matrarch mit sich gebracht hatte – war zweitrangig. Der Stolz, den sie wegen ihrer Leistungen empfunden hatte, und auch ihre Macht bedeuteten ihr nichts. Dennoch konnte sie dieses ideale Leben nur in einer gerechten Gesellschaft verwirklichen; und das wiederum brachte sie zurück zum Thema Verantwortung.
    Erschöpft starrte Gaia wieder in die Flamme. Ob es ihr gefiel oder nicht, sie war die Matrarch. Und solange das so war, musste sie hier raus und ihre Arbeit erledigen. Verzweiflung war ein Luxus, den sie sich nicht erlauben konnte. Sie stützte die Hände auf die Knie und rappelte sich wieder auf.
    Wenn sie den Weg, den sie gekommen war, nicht mehr fand, würde sie eben einen neuen suchen.
    Stunden später hielt Gaia vor einem weiteren Tunnel. Es war ihre letzte Kerze – und sie flackerte leicht. Langsam wandte sie das Gesicht, und da war ihr, als könnte sie tatsächlich die Andeutung eines Lufthauchs auf ihrer vernarbten Wange spüren.
    Der Tunnel führte leicht nach unten, und es widerstrebte ihr erst, ihn zu betreten. Nach einer Weile aber verlief er ebenerdig, und als er dann wieder anstieg, stieg auch ihre Hoffnung. Hoffentlich ist das der Ausgang. Da hörte sie ein fernes Husten in der Stille – dann nichts mehr. In der Hoffnung auf ein weiteres Lebenszeichen eilte sie voran, bis der Tunnel einen scharfen Knick machte.
    Durch einen hohen Schacht fiel trübes Tageslicht. Gaia jauchzte vor Freude und vergoss Tränen der Dankbarkeit.
    Vor ihr lag ein natürlicher Hohlraum von etwa fünf Metern Höhe und doppelter Breite, den jemand als Unterschlupf hergerichtet hatte. Neben einem Schaukelstuhl war ein Korb mit Strickzeug abgestellt, und auf einem Tisch stand eine Lampe, die aber nicht an war. Auf einem schlichten Bett stapelten sich ein paar Decken, und als sie sich gerade fragte, wie jemand all diese Sachen bis hierher geschafft hatte, kam Bewegung in die Decken. Ein Mädchen in ihrem Alter öffnete die müden Augen und zog die verschnupfte Nase hoch.
    »Hey«, sagte das Mädchen und stützte sich auf die Ellbogen. »Moment mal – dich kenne ich doch!« Sie runzelte die Stirn. »Solltest du nicht längst im Ödland verreckt sein?«
    Gaia war so froh, endlich jemanden gefunden zu haben, dass sie nur lachen konnte. »Tut mir sehr

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