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Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
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kämpfte sich schon stolpernd durch die Menge. Manche Menschen hielten einander in den Armen, andere verfolgten das Geschehen mit angstgeweiteten Augen. Und doch waren sie alle vereint: Menschen aus New Sylum, Wharfton und der Enklave bildeten gemeinsam eine Mauer des Mutes, um Gaia vor dem Protektor zu schützen.
    Da fiel eine weitere Salve von Schüssen, und die Leute schrien wieder auf, gingen in Deckung und zogen Gaia mit sich zu Boden. Für einen Moment blieb Gaia unten, doch ihre Angst um Leon trieb sie voran. Abermals versuchte sie, sich ihren Weg Richtung Terrasse zu bahnen, doch man versperrte ihr den Weg.
    »Geh da nicht hin«, sagten die Leute.
    Sie versuchte, etwas zu erkennen. Es fielen keine Schüsse mehr, aber in der angespannten Stille konnte man nun das Stöhnen und die Schreie der Verletzten hören.
    »Ich muss. Lasst mich durch.« Sie zwängte sich durch die Menschenkette.
    Vor ihr auf dem Kopfsteinpflaster lagen mehrere Tote, dazwischen Verwundete, denen bereits geholfen wurde. Dann erreichte sie die Terrasse und sah ein gutes Dutzend Bewaffneter, unter ihnen auch Marquez, die ihre Gewehre jedoch nicht auf die Menge gerichtet hatten, sondern auf die anderen Soldaten, welche sich mit erhobenen Händen ergaben. Gaia brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass ein Teil der Wache sich offenbar auf die Seite der Rebellen geschlagen hatte.
    Dort, wo zuvor der Protektor gestanden hatte, lagen mehrere Verletzte am Boden. Als sich einer von ihnen bewegte, erkannte sie Bruder Rhodeski. Sephie öffnete gerade ihre Arzttasche, um ihm und den anderen zu helfen. Doch auch hier war Leon nirgends zu sehen.
    Mit wachsender Sorge wandte sich Gaia wieder dem Platz zu. In der Nähe des Gefängnisses fielen noch Schüsse. Es herrschte das reinste Chaos, und obwohl die Menschen durcheinanderliefen, schien die Menge nicht kleiner zu werden.
    »Leon!«, rief sie. »Wo bist du?«
    »Hier drüben!«, antwortete eine junge Stimme. »Gaia! Er ist hier drüben!«
    Sie schaute nach links und sah Angie im Schatten der Arkaden stehen und winken.
    Gaia rannte los und drängte sich durch die Menge. Einmal trat sie dabei über die Leiche eines Mannes mit einer Kopfwunde. Wieder zerriss eine Gewehrsalve die Luft, und schnell sprang sie hinter den nächsten Säulen in Deckung.
    Dann sah sie Leon, zusammengesunken an der Mauer der Bibliothek, und Angie, die ihm die kleinen Hände auf die Brust presste.

22 Das Leben zuerst
    »Ich weiß nicht, was ich machen soll!«, rief Angie.
    »Lass mich mal sehen«, sagte Gaia und kniete sich neben sie.
    Leons Hemd war ganz dunkel von Blut. Er blutete so stark, dass sie nicht sicher war, wo genau er verletzt war. Angie drückte ihm unablässig ein völlig durchtränktes Tuch auf die Brust, unterhalb der linken Schulter, und als Gaia es kurz anhob, sah sie eine tiefe Wunde, aus der sofort frisches Blut strömte. Schnell drückte sie es wieder darauf.
    »Hol Myrna!«, rief sie.
    Angie sprang auf, zögerte aber und sah Gaia mit großen, feuchten Augen an. »Ich weiß nicht, wo sie ist!«
    » Hol Myrna, habe ich gesagt«, wiederholte sie scharf, doch als sie sah, dass sie dem Mädchen nur Angst machte, senkte sie die Stimme und sagte freundlich: »Wenn irgendwer sie finden kann, dann du. Also lauf und bring sie her, so schnell es geht!«
    Mit einem letzten verzweifelten Blick auf Leon rannte Angie los.
    Da drehte Leon schwach den Kopf, und Gaia presste das Tuch fester auf die Wunde und kämpfte ihre Panik nieder. Wahrscheinlich hatte er noch mehr Verletzungen. Die Schiene an seinem gebrochenen Arm war verschwunden. Als sie sein Hemd hochzog, entdeckte sie eine weitere blutende Schusswunde an seiner rechten Seite.
    »Gaia«, sagte er leise. »Bitte sag mir, dass der Protektor noch schlimmer aussieht.«
    »Ich habe keine Ahnung«, gestand sie mit zusammengeschnürter Kehle, knüllte sein Hemd zusammen und versuchte, damit die Blutung an seiner Seite zu stillen.
    »Schätze, jetzt kommst du doch noch mit Peter zusammen.«
    »Lass das«, wies sie ihn zurecht.
    Krämpfe schüttelten ihn. Hilfesuchend schaute sie sich um, doch die einzigen anderen Menschen im näheren Umkreis waren ebenfalls verletzt. Der Sandsteinboden, auf dem sie kniete, war kalt, und die Luft im Schatten der Arkaden wirkte dämmrig, fast staubig, und verlieh dem Blut eine noch dunklere Färbung.
    Da sie sonst nichts hatte, riss sie sich mit den Zähnen ein Stück ihres Ärmels ab und presste es auf seine Wunde.
    »Geht es dir gut?«,

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