Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
romantisch.«
»Du bist ja auch ein Feuerer«, sagte Adolin offen heraus. »Außerdem macht dich die Narbe für meinen Geschmack ein bisschen zu hässlich.« Er seufzte. »Sie regt sich nicht so sehr über den Tempel auf, sondern viel eher über meinen Mangel an Aufmerksamkeit ihr gegenüber. Ich bin heute kein guter Gesellschafter gewesen.«
»Euch bedrückt etwas, Heller?«, fragte Kadasch. »Geht es um Eure Berufung? In letzter Zeit habt Ihr keine großen Fortschritte gemacht.«
Adolin zog eine Grimasse. Die Berufung, die er für sich auserwählt hatte, war das Duellieren. Indem er zusammen mit
den Feuerern an seinen persönlichen Zielen und deren Erfüllung arbeitete, konnte er sich des Allmächtigen als würdig erweisen. Leider befahl der Kodex, dass Adolin in Kriegszeiten die Anzahl seiner Duelle begrenzen musste, denn durch frivoles Duellieren konnten Offiziere verletzt werden, die in der Schlacht gebraucht wurden.
Adolins Vater vermied die Schlachten jedoch immer öfter. Warum also sollte sich Adolin nicht duellieren? »Heiliger«, sagte Adolin, »wir müssen uns irgendwo unterhalten, wo man uns nicht belauschen kann.«
Kadasch hob eine Braue und führte ihn um den Mittelpunkt des Raumes herum. Die Vorin-Tempel waren stets kreisrund und hatten eine sanft ansteigende Erhöhung in der Mitte, die üblicherweise zehn Fuß betrug. Das Gebäude war dem Allmächtigen geweiht und wurde von Dalinar und den Feuerern, die ihm gehörten, unterhalten. Alle Devotarier waren hier willkommen, auch wenn die meisten ihre eigenen Kapitelsäle in einem der Kriegslager besaßen.
»Was wollt Ihr von mir wissen, Heller?«, fragte der Feuerer, sobald sie einen ruhigeren Bereich in dem riesigen Raum erreicht hatten. Kadasch benahm sich sehr ehrerbietig, obwohl er es gewesen war, der Adolin in seiner Kindheit unterrichtet und ausgebildet hatte.
»Wird mein Vater allmählich … verrückt?«, fragte Adolin. »Oder sieht er wirklich Visionen, die ihm der Allmächtige schickt, wie er es glaubt?«
»Das ist eine sehr direkte Frage.«
»Du kennst ihn länger als die meisten anderen, Kadasch, und ich weiß, dass du ihm treu ergeben bist. Ich weiß auch, dass du Augen und Ohren immer offen hältst und vieles mitbekommst. Deshalb bin ich mir sicher, dass du die Gerüchte schon gehört haben wirst.« Adolin zuckte die Achseln. »Jetzt ist mehr denn je die Zeit, offen miteinander zu sein.«
»Daraus schließe ich, dass die Gerüchte nicht unbegründet sind.«
»Leider nein. Es geschieht während jedes Großsturms. Mein Vater tobt und schlägt um sich, und nachher behauptet er, Dinge gesehen zu haben.«
»Was für Dinge?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, sagte Adolin und verzog dabei das Gesicht. »Dinge, die mit den Strahlenden zu tun haben. Und vielleicht … mit der Zukunft.«
Kadasch wirkte verwirrt. »Das ist ein gefährliches Gebiet, Heller. Eure Frage birgt für mich die Gefahr, meine Eide zu verletzen. Ich bin ein Feuerer, der Eurem Vater gehört und loyal zu ihm steht.«
»Aber in religiösen Dingen ist er nicht dein Vorgesetzter.«
»Nein. Allerdings ist er der vom Allmächtigen eingesetzte Wächter seines Volkes, der mich beobachtet und dafür sorgt, dass ich mich nicht über meinen Stand erhebe.« Kadasch schürzte die Lippen. »Wir bewegen uns auf des Messers Schneide, Heller. Was wisst Ihr über die Hierokratie und den sogenannten Krieg des Verlustes?«
»Die Kirche hat versucht, die Kontrolle zu übernehmen«, sagte Adolin und zuckte die Achseln. »Die Priester wollten die ganze Welt erobern – zu ihrem eigenen Besten, wie sie behaupteten.«
»Das war ein Teil davon«, sagte Kadasch. »Der Teil, über den wir am häufigsten reden. Aber es geht noch um viel mehr. Damals klammerte sich die Kirche an das Wissen. Die Menschen hatten keine Gewalt über ihre eigenen religiösen Wege; die Priester kontrollierten die Glaubenssätze, und nur wenigen Mitgliedern der Kirche war es erlaubt, etwas über Theologie zu wissen. Dem Volk wurde beigebracht, den Priestern zu folgen. Nicht dem Allmächtigen oder den Herolden, sondern den Priestern.«
Er machte ein paar Schritte und führte Adolin um den hinteren Rand des Tempelraums. Sie gingen an den Statuen der
Herolde vorbei – fünf männlichen und fünf weiblichen. In Wahrheit wusste Adolin nur wenig von dem, was Kadasch gerade sagte. Er hatte niemals viel für die Bereiche der Geschichte übriggehabt, die sich nicht unmittelbar auf das Kommandieren von Armeen
Weitere Kostenlose Bücher