Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
letzten Mal Fleisch von einem dieser seltsamen Flugwesen aus dem Land der Schin vorgesetzt worden war.
Eine dunkeläugige Dienerin kam vorbei; sie trug eine hauchdünne rote Robe und hielt ein Tablett mit orangefarbenen Krabbenbeinen in den Händen. Dalinar überquerte die Insel
und umrundete einige Gruppen von Feiernden. Die meisten tranken violettfarbenen Wein; es war die berauschendste und schmackhafteste aller Farben. Fast niemand war in Kriegsuniform gekommen. Einige Männer trugen zwar enge, hüftlange Jacken, aber viele hatten jede Anspielung auf das Militär vermieden und steckten stattdessen in lockeren Seidenhemden mit gekräuselten Umschlägen und dazu passenden Schuhen. Die kostbaren Stoffe glitzerten im Lampenschein.
Die Modepuppen sahen Dalinar abschätzend an. Er konnte sich an eine Zeit erinnern, als er auf Festen wie diesem sofort von Freunden und Bekannten – und sogar von Speichelleckern – umschwärmt worden war. Jetzt aber kam niemand auf ihn zu; man machte ihm sogar den Weg frei. Elhokar mochte ja glauben, dass sein Onkel allmählich schwach wurde, aber sein Ruf brachte die meisten niederen Hellaugen noch immer zum Verstummen.
Rasch näherte er sich der Brücke zur letzten Insel – der des Königs. Edelsteinlaternen an Pfählen standen ringförmig an den Rändern und erstrahlten in blauem Sturmlicht. Eine Feuergrube beherrschte die Mitte der Plattform. Dunkelrote Kohlen glühten in ihrem Innern und strahlten Wärme ab. Elhokar saß an seinem Tisch unmittelbar hinter der Feuergrube, wo mehrere Großprinzen mit ihm aßen. Die Tische an den Seiten der künstlichen Insel waren mit männlichen oder weiblichen Gästen besetzt, nie aber vermischten sich die Geschlechter am selben Tisch.
Schelm saß auf einem hohen Schemel am Ende der Brücke, die auf die Insel führte. Er hatte sich so gekleidet, wie es ein Hellauge tun sollte: steife schwarze Uniform, silbernes Schwert an der Hüfte. Dalinar schüttelte den Kopf über diese Ironie.
Schelm beleidigte jede Person, die die Insel betrat. »Hellheit Marakal! Was für eine Katastrophe Eure Frisur ist, und wie
tapfer Ihr seid, dass Ihr sie der ganzen Welt zeigt. Hellherr Marakal, ich wünschte, Ihr hättet uns gewarnt, dass Ihr an diesem Fest teilnehmt, denn dann hätte ich auf das Abendessen verzichtet. Ich hasse es, wenn mir nach einer üppigen Mahlzeit übel wird. Hellherr Cadilar! Wie gut, Euch zu sehen. Euer Gesicht erinnert mich an jemanden, den ich sehr schätze.«
»Wirklich?«, fragte der verhutzelte Cadilar zögernd.
»Ja«, antwortete Schelm und winkte ihn voran. »Mein Pferd. Ah, Hellherr Neteb, Ihr riecht heute aber einzigartig. Habt Ihr einen nassen Weißdorn angegriffen, oder hat Euch bloß jemand angeniest? Herrin Alami! Nein, bitte sagt gar nichts; so ist es viel leichter für mich, meine Illusionen über Eure Klugheit zu behalten. Und Hellherr Dalinar.« Schelm nickte Dalinar zu, als dieser an ihm vorüberging. »Ah, mein lieber Hellherr Taselin. Seid Ihr noch immer mit Eurem Experiment beschäftigt, in Eurer Person das Maximum menschlicher Dummheit zu beweisen? Gut für Euch! Wie empirisch …«
Dalinar zögerte neben dem Schemel des Schelms, während Taselin verärgert weiterschritt. »Schelm«, sagte Dalinar, »musst du denn an jedem zweifeln?«
»Zwei Feln, Dalinar?«, fragte Schelm; in seinen Augen glitzerte es. »Ist das so etwas wie zwei Augen, zwei Hände oder Kugeln? Ich könnte Euch ein Auge für einen Augenblick leihen, aber dann hätte ich keinen Augenblick mehr zum Scherzen. Gern würde ich Euch auch die Hand reichen, aber ich fürchte, meine einfachen Hände haben schon so oft im Dreck herumgewühlt, dass sie jemandem wie Euch gar nicht gefallen würden. Und wenn ich Euch eine meiner Kugeln gäbe, wofür sollte ich dann die zweite ausgeben? Seht Ihr, ich bin meinen beiden Kugeln ziemlich zugetan.« Er zögerte. »Nein, Ihr könnt es ja gar nicht sehen. Wäret Ihr denn darauf erpicht? « Er stand auf und griff nach seinem Gürtel.
»Witzig«, sagte Dalinar trocken.
Schelm lachte und klopfte Dalinar auf den Arm. »Es tut mir leid. Dieser Haufen bringt den übelsten Humor in mir hoch. Vielleicht ist das der Dreck, von dem ich vorhin gesprochen habe. Ich versuche angestrengt, sie auf gehobenem Niveau zu verabscheuen, aber sie machen es mir so schwer.«
»Pass auf dich auf, Schelm«, sagte Dalinar. »Dieser Haufen wird dich nicht auf ewig ertragen. Ich will dich nicht unter ihren Messern sterben sehen, denn ich
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