Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
Schüsseln entgegen und ließen sich ebenfalls nieder. Einige starrten ins Feuer und sagten nicht viel, andere lachten und sangen. Irgendwann kam Gaz vorbei und beobachtete sie eingehend mit seinem gesunden Auge, als wollte er herausfinden, ob sie vielleicht die Lagerregeln brachen. Aber das taten sie nicht. Kaladin hatte es überprüft.
Er füllte eine weitere Schüssel mit Eintopf und hielt sie Gaz entgegen. Der Brückensergeant schnaubte verächtlich und stapfte dann davon.
Man darf in einer einzigen Nacht nicht zu viele Wunder erwarten, dachte Kaladin und seufzte. Dann lehnte er sich zurück und probierte erstmals den Eintopf. Er war ziemlich gut. Kaladin lächelte und stimmte in den nächsten Vers von Dunnis Lied ein.
Als Kaladin am nächsten Morgen die Brückenmänner zum Antreten rief, reihten sich drei Viertel von ihnen vor der Baracke auf – alle außer den lautesten Nörglern: Das waren Moasch, Sigzil, Narm und ein paar andere. Diejenigen, die seinem Ruf gefolgt waren, wirkten erstaunlich erholt, obwohl sie am Abend zuvor noch lange beisammengesessen und gegessen hatten. Als er ihnen befahl, den Lauf mit der Brücke
zu üben, machten die meisten von denen, die aufgestanden waren, mit.
Es waren zwar nicht alle, aber es reichte immerhin.
Er hatte das Gefühl, dass Moasch und die anderen ihre Verweigerungshaltung bald aufgeben würden. Sie hatten bereits seinen Eintopf gegessen. Niemand hatte ihn verschmäht. Und da er nun schon so viele für sich gewonnen hatte, würden sich die Übrigen bald seltsam vorkommen, wenn sie nicht mitmachten. Brücke Vier gehörte ihm.
Jetzt musste er sie nur noch lange genug am Leben erhalten, damit nicht alles umsonst war.
28
ENTSCHEIDUNG
Ich habe niemals eine wichtigere Aufgabe erfüllt, und die Säulen des Himmels werden unter dem Ausgang dieses Krieges erzittern. Ich frage noch einmal. Steh nicht abseits und lass nicht zu, dass die Katastrophe weitere Leben verschlingt. Ich glaube, ich habe dich nie zuvor um etwas gebeten, alter Freund. Aber jetzt ist es so weit.
A dolin hatte Angst.
Er stand neben seinem Vater auf dem Versammlungsplatz. Dalinar wirkte … seltsam verbraucht. Runzeln liefen um seine Augen, die Stirn war gefurcht. Das schwarze Haar an den Schläfen war so weiß wie gebleichter Fels. Wie konnte ein Mann, der in vollem Splitterpanzer dastand – ein Mann, der trotz seines Alters noch die Statur eines Kriegers hatte –, nur so zerbrechlich wirken?
Vor ihnen folgten zwei Chulle ihrem Führer und traten auf die Brücke. Die Holzplanken überspannten eine künstliche Kluft zwischen zwei Felsbrocken, die nur wenige Fuß tief war. Die peitschenartigen Antennen der Chulle zuckten, die Beißwerkzeuge klackten, und die faustgroßen schwarzen Augen blickten aufgeregt umher. Sie zogen eine gewaltige
Belagerungsbrücke, die auf knirschenden Holzrädern lief.
»Diese Brücke ist viel breiter als die, die Sadeas einsetzt«, sagte Dalinar zu Teleb, der neben ihm stand.
»Es ist nötig, damit sie die Belagerungsbrücke aufnehmen kann, Hellherr.«
Geistesabwesend nickte Dalinar. Adolin vermutete, dass er der Einzige war, der die Nöte seines Vaters überhaupt bemerkte. Dalinar hielt seine Fassade der Zuversicht aufrecht, den Kopf hoch – und sprach mit fester Stimme.
Aber diese Augen! Sie waren zu rot, der Blick war zu beunruhigt. Und wenn Adolins Vater von etwas beunruhigt wurde, dann wurde er kalt und geschäftsmäßig. Als er mit Teleb sprach, klang seine Stimme allzu beherrscht.
Dalinar Kholin war plötzlich zu einem Mann geworden, auf dem eine große Bürde lastete. Und Adolin hatte dabei geholfen, sie ihm aufzuerlegen.
Die Chulle trotteten weiter. Ihre felsblockartigen Panzer waren blau und gelb bemalt; Farbe und Muster deuteten die Herkunft ihrer Reschi-Führer an. Die Brücke ächzte unter ihnen bedrohlich, als die größere Belagerungsbrücke darüber hinwegrollte. Überall auf dem Versammlungsplatz standen Soldaten und sahen zu. Selbst die Arbeiter, die die Latrinen in den steinigen Boden an der Ostseite schnitten, hielten inne und beobachteten das Schauspiel.
Das Ächzen der Brücke wurde lauter. Dann ertönte ein scharfes Knacken. Die Führer hielten die Chulle an und sahen zu Teleb hinüber.
»Sie wird nicht halten, oder?«, fragte Adolin.
Teleb seufzte. »Sturmverdammt, ich hatte gehofft … Wir haben die kleinere Brücke zu dünn gelassen, als wir sie verbreitert haben. Aber wenn wir sie verstärken, wird sie so schwer sein, dass sie nicht
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