Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
so förmlich«, meinte er und lächelte sie an. »Sagt mir, wirke ich etwa so einschüchternd?«
»Ich bin dazu erzogen worden, den Feuerern meinen Respekt zu erweisen.«
»Also, ich finde, dass Respekt wie Dünger ist. Wenn man ihn dort einsetzt, wo er gebraucht wird, wachsen und gedeihen die Dinge. Aber wenn man ihn zu dick aufträgt, dann stinken sie bloß.« In seinen Augen glitzerte es.
Hatte ein Feuerer – also ein Diener des Allmächtigen – soeben von Dünger gesprochen? »Die Feuerer sind die Stellvertreter des Allmächtigen«, sagte sie. »Wenn ich Euch keinen Respekt erweise, dann würde ich damit auch dem Allmächtigen den Respekt verweigern.«
»Ich verstehe. Und so würdet Ihr also mit dem Allmächtigen sprechen, wenn er hier vor Euch erschiene? Mit all dieser Formalität und den Verbeugungen?«
Sie zögerte. »Vermutlich nicht.«
»Ah. Wie würdet Ihr denn reagieren?«
»Wahrscheinlich würde ich Schmerzensschreie ausstoßen«, antwortete sie. Diese Worte waren ihr jedoch allzu schnell zwischen den Lippen durchgedrungen. »Es steht geschrieben, die Pracht des Allmächtigen sei so gewaltig, dass jeder, der ihn ansieht, sofort zu Asche verbrennt.«
Der Feuerer lachte. »Wahrlich weise gesprochen. Aber bitte setzt Euch doch.«
Sie gehorchte zögernd.
»Ihr wirkt noch immer, als wäret Ihr in einem inneren Widerstreit befangen«, sagte er und hielt Jasnahs Porträt hoch. »Was kann ich tun, um Euch in Einklang mit Euch selbst zu bringen? Soll ich auf diesen Tisch hier steigen und ein Tänzchen machen?«
Sie blinzelte überrascht.
»Keine Einwände dagegen?«, fragte Bruder Kabsal. »Also dann …« Er legte das Porträt beiseite und stieg auf seinen Stuhl.
»Nein, bitte!«, rief Schallan und hob die Freihand.
»Seid Ihr sicher?« Er schaute den Tisch abschätzend an.
»Ja«, sagte Schallan. Sie stellte sich vor, wie der Feuerer einen Fehlschritt machte, aus der Loge fiel und Dutzende Fuß hinunter auf den Boden stürzte. »Bitte, ich verspreche Euch, dass ich Euch nicht länger respektieren werde.«
Er kicherte, sprang von dem Stuhl herunter und setzte sich. Dann beugte er sich verschwörerisch zu ihr vor. »Die Drohung, auf dem Tisch zu tanzen, wirkt fast immer. Ich musste sie erst ein einziges Mal in die Tat umsetzen, als ich eine Wette gegen Bruder Lhanin verloren habe. Der Meisterfeuerer unseres Klosters wäre vor Entsetzen beinahe ohnmächtig geworden.«
Schallan musste lächeln. »Ihr seid ein Feuerer und dürft deshalb kein Eigentum besitzen. Um was habt Ihr gewettet?«
»Um zwei tiefe Züge vom Duft einer Winterrose«, erklärte Bruder Kabsal, »und um die Wärme des Sonnenlichts auf der Haut.« Er lächelte. »Manchmal sind wir ziemlich erfindungsreich. So wird man, wenn man jahrelang in einem Kloster vor sich hinschmort. Aber Ihr wolltet mir gerade erklären, wo Ihr Euren meisterlichen Umgang mit dem Zeichenstift gelernt habt.«
»Das ist nur Übung«, sagte Schallan. »Ich nehme an, alle werden es auf diese Weise lernen.«
»Das waren wieder weise Worte. Ich frage mich allmählich, wer von uns beiden der Feuerer ist. Aber sicherlich hattet Ihr einen Meister, der Euch unterwiesen hat.«
»Dandos der Ölgeschworene.«
»Ah, ein wahrer Meister des Zeichnens, wenn es je einen gegeben hat. Nicht dass ich an Euren Worten zweifelte, Hellheit, aber ich frage mich doch, wie Dandos Heroldin Euch in den Künsten unterweisen konnte, denn meinen Erkenntnissen zufolge leidet er an einer langen und besonders lebensgefährlichen Krankheit. Er ist nämlich tot . Und zwar seit dreihundert Jahren.«
Schallan errötete. »Mein Vater besaß aber ein Buch von ihm.«
»Ihr habt das aus einem Buch gelernt?«, fragte Kabsal und nahm ihr Porträt von Jasnah wieder in die Hand.
»Äh … ja.«
Er betrachtete das Bild erneut. »Ich sollte wohl mehr lesen.«
Schallan musste über die Miene des Feuerers lachen und prägte sich sein Bild ein, wie er dasaß und sich Bewunderung und Verblüffung auf seinem Gesicht mischten, während er das Bild betrachtete und sich dabei mit dem Finger über das bärtige Kinn fuhr.
Er lächelte freundlich und legte das Blatt wieder auf den Tisch. »Habt Ihr Firnis?«
»Ja«, sagte sie und holte ihn aus ihrer Tasche. Er befand sich in einer bauchigen Sprühflasche, wie sie auch für Parfüm benutzt wurde.
Kabsal nahm die kleine Flasche entgegen, drehte den Verschluss, schüttelte sie und probierte den Firnis auf seinem Handrücken. Er nickte zufrieden und griff
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