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Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)

Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)

Titel: Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jamil Ahmad
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zurücklegten, zwei zurückgelegt. Sie waren müde und brauchten ihre Ruhe, bevor sie ihre zweite Aufgabe übernehmen würden: das Lager während der Nachtstunden zu bewachen.
    Dawa Khan und sein Sohn trugen die letzte Ladung heran und stellten sie im Zelt seiner jüngeren Frau ab. An dem Abend war Gul Jana an der Reihe, für die Familie zu kochen, aber die andere Frau half ihr, indem sie das Brot buk. Das jüngste Kind krabbelte zum Hund, der ein Teil von Gul Janas Mitgift gewesen war. Gul Jana probierte das Schmorfleisch und gab noch etwas Wasser hinzu.
    Plötzlich sprang der Hund auf und warf das pummelige Kind auf den grasigen Boden. Seine Hinterbeine strafften sich, und seine Nackenhaare sträubten sich. Dawa Khan und sein Sohn blickten in die Richtung, in die der Hund starrte.
    Die Sonne war noch nicht ganz untergegangen, und während manche Flächen schon im Schatten lagen, war die Kuppe des Hügels vor ihnen noch in Sonnenlicht getaucht. Während sie schauten, kamen allmählich zwei Gestalten in Sicht: ein alter Mann in einem purpur- und goldfarbenen Mantel, dem ein schwarzbärtiger jüngerer Mann folgte.
    »Der General und sein Sohn kommen«, sagte Dawa Khan zu seinen Frauen. »Richtet ihnen ein Essen her.« Während er auf den Hügel zuging, traten weitere Männer aus den hundert schwarzen Zelten und folgten ihm. Sie empfingen die Besucher am Fuß des Hügels. Ein paar Minuten lang herrschte ein so lebhafter Austausch von Begrüßungen, dass keiner recht verstand, was der andere sagte.
    Nachdem dieses lautstarke Willkommen abgeebbt war, machte sich die Gruppe von Männern, von Dawa Khan und dem General angeführt, auf den Weg zum Lager. Die meisten Männer ließen sich nach und nach, einzeln oder zu zweit, zurückfallen und suchten ihre eigenen Zelte wieder auf, bis schließlich nur noch Dawa Khan und vier weitere übrig blieben.
    Vor Dawas Zelt waren Teppiche ausgebreitet worden, und zwei Packsättel standen hochkant, um als Rückenlehne zu dienen. Die Männer zogen ihre Schuhe aus und setzten sich. Der General, der seinen Mantel stets anbehielt, sah die Männer um sich herum an. Es waren altvertraute Gesichter. Er hatte diese Männer mittleren Alters schon als Kleinkinder gekannt, und davor ihre Väter. Er lächelte der massigen schnauzbärtigen Gestalt, die ihm gegenübersaß, ironisch zu – er war als Junge so klein gewesen, dass er erst mit dreizehn den Schwanz eines Kamels hatte erreichen können.
    »Was höre ich da für Sachen von dir?«, fragte ihn der General. »Du verklagst einen anderen Kharot vor den Gerichten der Regierung?« Torak grinste verlegen. »Die Klage ist gegen einen Mann gerichtet, der den Stamm verlassen hat«, verteidigte er sich. »Gegen einen Kharot, der sich in der Stadt niedergelassen hat. Er kann gar nicht mehr als ein richtiger Kharot betrachtet werden. Der Teufel hat nach dem Tod meines Vaters meine Mutter geheiratet und hat keinen Brautpreis gezahlt. Als dem ältesten Sohn steht mir das Geld zu, und der Mann weigert sich, zu bezahlen. Ich muss es aus ihm herauskitzeln. Meine Mutter sieht es genauso.«
    »Du hast recht, mein Sohn«, pflichtete der General ihm bei. »Kein Mann respektiert seine Frau oder deren Familie, solange er nicht für sie bezahlt. Aber du solltest imstande sein zu bekommen, was dir zusteht, ohne Zuflucht zu den Gesetzen anderer Leute zu nehmen.« Er blickte Dawa Khan an. »Du wirst ihm natürlich helfen.«
    »Wir werden sein Geld bekommen«, versprach Dawa Khan.
    Das Licht verblasste, und mit dem Untergang der Sonne fiel die Temperatur abrupt. Ein Feuer wurde angezündet, und die sitzenden Gestalten rückten näher an die Flammen heran. Als die Schüsseln mit dem Schmorfleisch und die Teller voll Brot aus dem Zelt herausgetragen wurden, wandte sich der General zu Dawa Khan.
    »Deine
kirri
soll dieses Jahr die Karawane anführen.«
    »Ja, General.«
    »Sei sehr vorsichtig und besonnen. Es darf keinerlei Streitigkeiten geben, weder unter euch selbst noch mit anderen Stämmen. Keine Auseinandersetzungen mit den Behörden. Mir ist das Gerücht zu Ohren gekommen, dass die Obrigkeiten Reisedokumente von unseren Leuten verlangen werden. Ihr werdet weiterziehen, während ich zu den Regierungsbeamten gehe, um mir ein Bild von der Sache zu machen. Benutze all dein Taktgefühl, aber halte auch Kontakt zu einigen
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hinter dir. Welche
kirris
sind dir am nächsten?«
    »Mein Vater und meine Brüder führen die nächste an, einen Tagesmarsch hinter uns«, warf

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