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Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)

Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)

Titel: Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jamil Ahmad
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einfach so zu gehen: ohne jedes Aufhebens und ohne sich zu verabschieden.«
    Nach einer Pause wandte sich der alte Scouts-Offizier wieder zum Malik der Bhittanis. »Jetzt kennst du die Geschichte. Erfüllt dich die Großzügigkeit, die in seiner Brust lag, nicht mit Bewunderung? Verstehst du jetzt, warum ich den Zwang verspüre, sein Grab aufzusuchen und für seine Seele zu beten, und warum ich jede Schmähung seines Andenkens als großes Unrecht empfinde?«
    Der Bhittani-Häuptling sann eine Weile nach, ehe er antwortete. »Freund«, sagte er. »Mullah Barrerai wird für uns alle immer ein unehrlicher Schurke bleiben, der uns um unseren Anteil betrogen hat. Er war freigebig mit Gut, das ihm nicht gehörte. Aus einer Laune heraus brachte er Leid über viele Männer. Es mildert sein Verbrechen nicht, dass er es aus Freundschaft zu dir beging. Sprechen wir also nicht mehr über ihn.« Er fasste den Offizier am Arm. »Komm, trink eine Tasse Tee, bevor du gehst.«

Eine Entführung
    E in dünnes Rinnsal, das durch das Bett des Shaktu-Flusses fließt, bildet die Grenze zwischen den Wazirs und den Mahsuds – den zwei räuberischen Stämmen von Waziristan. Zu beiden Seiten des Flusses ziehen sich schmale, nur angedeutete Uferstreifen hin, auf denen die Wazir- und die Mahsud-Frauen kümmerliche Getreidefelder bearbeiten. Der Fluss bietet nur eine kurze Unterbrechung. Wo die Felder enden, nehmen die Windungen und Strudel von nacktem, grausamem Fels ihren Marsch durch das Land wieder auf, in dessen Verlauf sie gelegentlich Nadeln und Lanzen aus Granit in den Himmel stoßen.
    Während des größeren Teils des Jahres starren sich die Mahsuds und die Wazirs über die Entfernung hinweg, die sie voneinander trennt, finster an; die Mahsuds von ihrer Ansammlung aus geduckten Häusern mit schlitzartigen Fenstern und die Wazirs von den Dächern der Türme aus, die jede Behausung beschützen. Alle paar Monate machen sich ihr Hass und ihre Spannungen in Gewalt Luft, und ein paar Männer sterben – niemals die Frauen, die fortfahren, das Land zu bestellen und Wasser vom Fluss zu holen. Nach ein paar Tagen der Gewalt kommen die Hüter eines kleinen Heiligtums in der Nähe des Flussufers heraus und handeln einen Waffenstillstand aus, der die nächsten paar Monate halten wird, bis die Stille erneut von Gewehrschüssen gebrochen wird.
    Da sie immer in Gruppen jagen, sind die Mahsuds als die Wölfe von Waziristan bekannt. Ein Wazir jagt allein. Er ist anderen Männern als »der Leopard« bekannt. Trotz ihrer Differenzen haben die zwei Stämme mehr gemeinsam als nur ihr Erbe von Armut und Elend. Die Natur hat in beiden einen ungewöhnlichen Vorrat an Zorn, eine gewaltige Zähigkeit und eine absolut fehlende Bereitschaft, sich mit ihrem Los abzufinden, herangezüchtet. Wenn die Natur sie lediglich mit Nahrung für zehn Tage im Jahr versorgt, glauben sie ein Recht darauf zu haben, den Rest ihres Lebensunterhalts von ihren Mitmenschen einzufordern, die ein fettes, gemästetes und behagliches Dasein in der Ebene führen. Beiden Stämmen gilt die Fähigkeit zu überleben als höchste Tugend. In keiner von beiden Gemeinschaften haftet einem gedungenen Mörder, einem Dieb, einem Entführer oder einem Spitzel der geringste Makel an. Und schließlich sind beide ganz und gar mit sich selbst befasst. Sie hegen nicht den leisesten Zweifel daran, dass sie die Protagonisten sind, während der Rest der Welt entweder irgendwelche Nebenrollen spielt oder die Zuschauer abgibt – wie es sich eben für minderwertige Arten geziemt.
    Der Winter kam in diesem Jahr spät. Es war schon Ende November, und die Männer des Hügellands von Waziristan beobachteten den langsamen, ruhigen Wechsel der Jahreszeiten mit zunehmender Ungeduld. Sie fühlten sich betrogen, denn ein kurzer Winter bedeutete weniger Zeit, um ihren Lebensunterhalt für das Jahr zusammenzubekommen. Sie wussten – ebenso wie die Menschen der Ebene –, dass der Winter die Zeit der Überfälle, Entführungen und Raubzüge war. Diese langen, kalten Nächte, die die Menschen dazu verleiteten, sich in schwere Steppdecken zu mummeln, nahmen ihnen gleichzeitig die Lust, auf den Hilferuf eines Nachbarn zu reagieren. Außerdem waren im Winter nachts viel weniger Menschen unterwegs als im Sommer, wo man jederzeit damit rechnen musste, Leute anzutreffen, die ihre Felder bewässerten. Und schließlich waren die Winternächte lang genug, um einen Rückzug in die Hügel zu ermöglichen, ehe der Morgen

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