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Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)

Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)

Titel: Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jamil Ahmad
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graute.
    In den Häusern, die in Waziristan beidseits des Shaktu verstreut lagen, trugen sich drei Männer mit dem Gedanken, eine etwa sechzehn Kilometer vom Fuß der Hügel entfernte Militärsiedlung zu überfallen und eine Geisel zu nehmen. Jeder der Männer wusste, was der jeweils andere plante. Der erste, Sarmast Khan, ein Mahsud, war um die dreißig Jahre alt. Durch seine Unternehmungen hatte er in fünfzehn Jahren das nötige Kapital für den Brennholzhandel beschafft, den seine zwei Brüder in Karachi führten. Diesmal brauchte er für sich selbst Geld. Der Vater des ihm verlobten Mädchens drängte seit einiger Zeit darauf, dass er den noch ausstehenden Rest des Brautpreises bezahlte.
    In einem nur wenige Kilometer entfernten Häuschen wohnten Zwillingsbrüder, zweiunddreißigjährig und vom Stamm der Wazirs, die aus einem anderen Grund Geld brauchten. Seit ihrem ersten Verbrechen – dem Diebstahl eines schönen ziselierten Gewehrs, das sie fünfzehn Jahre zuvor einem auf einer Staatsstraße reisenden Beamten abgenommen hatten – war in den tiefergelegenen Distrikten, wo ihre Familien lebten, eine lange Reihe von Straftaten auf ihr Konto gegangen. Was bedeutete, dass sie sich in den Hügeln, wo kein Polizist sie verfolgen würde, zwar frei bewegen konnten, sie in der Ebene aber Gejagte waren.
    Jetzt bot sich den Zwillingen endlich die Möglichkeit, ein neues Leben anzufangen. Ein höherer Beamter des nächstgelegenen Distrikts hatte ihre bedingungslose Kapitulation akzeptiert und ihnen dafür Generalamnestie für ihre bisherigen Straftaten zugesichert. Allerdings war die Akte ans zuständige Ministerium weitergeleitet worden, und von dort aus hatte ihnen ein kleinerer Beamter mitgeteilt, zur Bearbeitung ihres Falles sei die Zahlung einer Bestechungssumme in Höhe von zweitausend Rupien erforderlich. Damit befanden sich die zwei Brüder in der paradoxen Situation, noch einen letzten Überfall durchführen zu müssen, um es sich leisten zu können, ein ehrliches Leben zu beginnen.
    Während diese Männer hin und her überlegten, sorgten sich auch andere, wie sie den kommenden Winter überstehen würden. Sarmast und die Zwillingsbrüder Jalat Khan und Zabta Khan trafen sich eines Morgens, nachdem die Frauen des Dorfes losgezogen waren, um den Tagesbedarf an Trinkwasser zu holen. Was das Grundsätzliche anbetraf, bestand weitestgehend Übereinstimmung. Darüber, wer der Anführer sein sollte, waren sie sich einig: Daulat Khan, ebenfalls ein Mahsud, ein grauhaariger Veteran, der in sämtlichen Stammesgebieten für seinen derben Humor, seine Schwäche für Geschichten und sein Hörgerät, das er ein paar Jahre zuvor einem Bauern gestohlen hatte, bekannt war. Einvernehmen herrschte auch darüber, wer die Person, die sie entführen wollten, in Gewahrsam halten und das Lösegeld aushandeln sollte.
    Sie entschieden, dass das Kommando vorerst zehn Personen umfassen würde, sie selbst eingeschlossen. Davon ausgehend würde man die Lösegeldsumme durch dreizehn teilen müssen, da auch dem Anführer, dem Unterhändler und der Person, die sie in der Stadt mit Kost, Logis und Informationen versorgte, jeweils ein Anteil zustand. Sie waren sich außerdem darin einig, dass in ihrer Gruppe wenigstens zwei Bhittanis sein mussten – also Männer aus dem Stamm, dessen Gebiet sie auf ihrem Raubzug durchqueren würden.

    Es war später Nachmittag, und während der Deputy Commissioner von Bannu die letzten Pflichten des Tages abarbeitete, fragte er sich, ob er vor dem Dunkelwerden noch ein, zwei Sätze Tennis schaffen würde. An dem Tag hatte es einen besonders starken Andrang von Besuchern gegeben, und rund ein halbes Dutzend warteten noch. Darunter einer, der besonders wichtig war – ein Spitzel, der schon zu mehreren Gelegenheiten nützliche Informationen geliefert hatte. Da saß er nun, auf einer Holzbank außerhalb des Büros: ein stämmiger junger Mann mit Bart und kajalumrandeten Augen in einem gebrauchten roten Damenmantel mit Pelzkragen.
    Dieses Kleidungsstück, das einst der Stolz einer amerikanischen Hausfrau aus irgendeinem Vorort gewesen sein mochte, war nicht zugeknöpft. Die Elfenbeingriffe zweier Dolche ragten deutlich sichtbar aus dem Hosenbund des Mannes.
    Der Deputy Commissioner rief ein paar weitere Besucher herein, bevor der Spitzel ins Büro gebeten wurde. Es war notwendig, ihn warten zu lassen, da jede Art von Bevorzugung sofort bemerkt und zum Basargespräch gemacht worden wäre. Sie hätte außerdem

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