Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
mir Chefredakteurin der Schülerzeitung und Mittelangreiferin in der Volleyball-Schulmannschaft. Sie war direkt, etwas kratzbürstig und eindeutig hyperaktiv, aber ich mochte sie. Sie war auf der Beerdigung gewesen und hatte geweint, sich aber sehr bemüht, sich zusammenzureißen. Keine Hysterie. Das wusste ich zu schätzen.
» Heute Abend ist die Party von Jill McAllister. Gehst du hin?«
Die McAllister-Partys am Ende der Sommerferien waren legendär– eine St.-Brigid-Tradition. Fünf Töchter, deren Eltern beide Psychiater waren und regelmäßig den Sommer in Europa verbrachten, sodass im Haus sturmfreie Bude für eine Schulanfangsparty war, über die die Schülerinnen dann noch im Dezember redeten. Nur wenige Jüngere hatten Zutritt, aber alle Schülerinnen im letzten Schuljahr waren eingeladen. Verity und ich hatten schon seit der neunten Klasse geplant hinzugehen. Jill war die jüngste Schwester und jetzt in der zwölften Klasse wie wir, was bedeutete, dass das hier die letzte McAllister-Party überhaupt sein würde. Aber der Gedanke, allein hinzugehen, versetzte mich in Panik– der erste Schritt ins letzte Schuljahr, ohne dass Verity voranging.
» Ich glaube nicht.« Ich war unter keinen Umständen bereit, auf eine Party zu gehen. Ich klemmte das Handy mit der Schulter fest, während ich das Tablett zum Geschirrspüler schleppte.
» Komm schon, Mo!«
» Ich habe eigentlich keine Lust auf eine Party.«
» Du kannst nicht einfach nicht hingehen. Alle werden da sein.«
» Genau.« Ich begann, die Teller in den Auszug einzuräumen.
» Und du kannst dich auch nicht das ganze Jahr lang verstecken«, sagte sie. Lena schrieb gute Geschichten und noch bessere Leitartikel– kluge, schonungslose Kolumnen, die genau das ausdrückten, was alle dachten, aber nicht aussprechen wollten. Im letzten Jahr hatte mir das an ihr gefallen.
» Ich verstecke mich nicht, ich bin nur müde«, sagte ich. » Außerdem werden alle Fragen stellen.«
» Die werden sie ohnehin stellen. Es sind Massen von Gerüchten im Umlauf. Die Leute erzählen allen möglichen Blödsinn.«
» Was denn zum Beispiel?«
» Zum Beispiel, dass Verity mit Drogen gehandelt und jemand sie deshalb verfolgt hat? Dass sie im Sommer gar nicht in New Orleans war, sondern auf Entziehungskur?«
» Das ist Schwachsinn.« Ich wurde laut und warf einen Blick durch die Schwingtür nach vorn. » Ich habe jeden Tag mit ihr gesprochen. Glaubst du, das würde man jemandem auf Entzug erlauben?«
» Mich musst du davon nicht erst überzeugen.«
» Wenn ich also nicht hingehe…«
» Dann sieht es so aus, als hättest du etwas zu verbergen.« Lena schwieg kurz. » Es würde dir guttun, rauszukommen.«
» Ich komme doch schon raus. Ich bin in der Arbeit.«
» Das Slice zählt nicht. Komm schon, Mo. Wir vermissen dich.«
Ich konzentrierte mich darauf, mein Tablett übergründlich abzuwischen und es wieder auf den Stapel zu legen.
» Mo!«, rief Tim. » Die Bestellung ist fertig!«
» Verity würde dir sagen, dass du hingehen sollst«, erklärte Lena. » Du weißt, dass sie wollen würde, dass du dieses Jahr in vollen Zügen genießt. Sie würde es von dir erwarten.«
» Mo!«, rief Tim noch einmal.
» Ich überlege es mir.« Ich wartete Lenas Antwort nicht ab, sondern klappte das Handy zu und warf es zurück in meine Tasche, wobei ich den in ein T-Shirt gewickelten Brocken in einer Ecke nicht ansah.
Ich schnappte mir das Western-Omelette und die Armen Ritter, ging rückwärts durch die Schwingtür und versuchte, die Gereiztheit zu ignorieren, die ich verspürte. Jeder schien zu wissen, was Verity von mir erwartet hätte. Ich war mir nicht so sicher. Als ich die Teller bei dem älteren Pärchen an Tisch drei ablieferte, entdeckte ich einen neuen Gast an der Theke. Ich kehrte um, um die Kaffeekannen von der Herdplatte zu holen, nur, um mich direkt meiner Mutter auf der anderen Seite der Küchendurchreiche gegenüberzusehen.
» Wer war da am Telefon?«
» Eine Freundin aus der Schule.«
» Es klang, als würdest du Pläne machen, irgendwo hinzugehen.« Das Gesicht meiner Mutter nahm bereits einen angespannten, säuerlichen Ausdruck an; sie presste die Lippen zusammen und schürzte sie. Das war ihre typische Reaktion, unmittelbar bevor sie nein sagte.
» Heute Abend treffen sich ein paar Leute. Ich dachte, ich könnte vielleicht hingehen.«
Meine Mutter verschränkte die Arme vor der Brust. » Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.«
Mein Magen zog
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