Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
Botschaft zu übermitteln. Marguerite …« Er warf einen Blick auf seine Frau, und Besorgnis huschte über sein Gesicht. » Du bleibst bei mir.«
» Ich sollte bei unserem Haus stehen«, widersprach sie. » Das entspricht dem Protokoll.«
» Ich bestimme das Protokoll«, sagte er.
» Du machst dir immer solche Sorgen. Meine Männer«, seufzte sie und richtete damit ihre Worte an mich. » Sie beschützen, was ihnen gehört.«
Bemerkenswerterweise schien Luc zu erröten, als ich ihn musterte, denn die Farbe seiner Wangen wurde dunkler.
» Was ist mit den Seraphim?«, fragte ich plötzlich. » Niobe hat gesagt, sie würden planen, einen entscheidenden Schritt zu unternehmen.«
» Wir haben doch schon darüber gesprochen. Die Seraphim haben sich nach ihrer Niederlage aufgelöst«, sagte Orla gereizt.
» Das wissen wir nicht genau«, erwiderte Dominic. » Aber auf alle Fälle können sie hier nichts unternehmen. Es ist neutraler Boden.«
Doch Marguerite hatte gesagt, dass Dominic sie zu beschützen versuchte. Und Luc war nervös – das konnte ich an der Art ablesen, wie er meine Hand umklammerte und sein Blick über die Menge huschte. Wenn die Seraphim keine Bedrohung darstellten, was dann?
Plötzlich war es still – das Läuten der Ruferin verstummte. Seine Abwesenheit war beinahe so erschreckend wie sein Einsetzen.
» Es ist an der Zeit zu beginnen«, sagte Dominic und trat mit Marguerite am Arm an die Kante der Bühne. Orla und Pascal standen rechts und links von ihnen. Luc drängte mich vorwärts, aber in dem Moment, bevor wir unseren Standort erreichten, zögerte er.
Erst da begann ich mir ernsthafte Sorgen zu machen.
Kapitel 36
Luc hatte mir immer wieder erzählt, dass er zum künftigen Anführer seines Hauses erzogen worden war. Er war ein wesentlicher Teil der Sturzflutprophezeiung, und es hätte für ihn das Natürlichste auf der Welt sein sollen, seinen Platz bei einer Bogenzeremonie einzunehmen.
Wenn er Zweifel hatte, stimmte irgendetwas ganz und gar nicht.
Ich setzte dazu an, mich zurückzuziehen, aber es war zu spät – wir standen mitten auf der Bühne. Tausende von Menschen starrten mich an, fragend, misstrauisch. Eine vertraute Panik arbeitete sich meine Kehle empor.
Dominic begann zu sprechen und sang ein Loblied auf Evangelines Opfer im Zuge der Sturzflut.
Mein Nacken wurde heiß, als ich ihm lauschte, und Abscheu wallte in mir auf. Sie war eine Verräterin an diesen Leuten gewesen, keine Märtyrerin für ihre Sache. Dominics Stimme trug über die volle Allée, betonte Evangelines Weisheit und ihren Mut, ihren hingebungsvollen Einsatz für die Bögen und ihr Erbe. Er sprach mit absoluter, unerschütterlicher Überzeugung. Entweder war es eine oscarreife Schauspielleistung oder ein Zeichen dafür, dass ich seine Loyalitäten völlig falsch eingeschätzt hatte.
Luc wirkte desinteressiert. Sein Blick schweifte ständig über die Menge. Ich versuchte zu sehen, was er sah, aber ich war nicht in der Lage, Dominics Worte zu ignorieren, und wurde im Laufe seiner Rede immer wütender.
Schließlich kam Dominic gnädigerweise zum Ende. Er schritt die Stufen hinab, so dass sein Umhang sich hinter ihm blähte, und hielt die hohlen Hände über den glasklaren Teich. Einen Augenblick später begann meine Haut zu prickeln, als sei mir ein Arm oder Bein eingeschlafen. Ich rollte die Schultern und versuchte, das Gefühl loszuwerden. Er öffnete die Hände, als ob er etwas auf dem Wasser verstreuen würde, aber nichts fiel. Ich hörte ein Zischen, und dann stiegen Rauchfahnen von der Oberfläche auf und verteilten sich in der Brise.
Luc beugte sich vor. » Er erweist ihr die letzte Ehre. Die anderen werden es ihm nachtun.«
» Alle?« Ich sah die Menge von Bögen an. Es war die größte Trauerfeier der Welt. Wir würden ewig hier sein.
Er sprach, ohne die Lippen zu bewegen. » Sei froh, dass du bequeme Schuhe trägst.«
Aber als Dominic zurücktrat und Pascal sich vorwärtsbewegte, um Evangeline seinerseits Tribut zu zollen, kroch die Magie wieder über meine Haut. Ich rieb mir die Arme, und Luc schmiegte sich enger an mich.
Orla nahm ihren Platz vor dem Wasserbecken ein, dessen Oberfläche zu kleinen Schaumkronen aufgepeitscht wurde. Ich zuckte angesichts der neuen Aufwallung von Magie zusammen und bemerkte, dass Pascal mich genau beobachtete.
Binnen eines Augenblicks wurde mir bewusst, welchen Fehler der Plan hatte.
» Es ist zu viel Magie«, flüsterte ich.
» Nur ein Tropfen«,
Weitere Kostenlose Bücher