Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
nach Mandeln, sauber und warm. Endlich, dachte ich. Er hatte so viel Zeit darauf verschwendet, edel zu sein, obwohl das hier doch ganz offensichtlich zwangsläufig geschehen musste.
Ich ließ eine Hand unter sein Hemd gleiten. Seine Rückenmuskeln waren hart wie Granit, die Narben kaum zu spüren, einer der schrecklichen Teile seines Lebens, über den er mir nichts mitteilen wollte. Er erstarrte mitten in zarten Küssen auf meine Schläfe, während seine Finger schon damit beschäftigt waren, vorsichtig die Knöpfe meiner Bluse zu öffnen.
» Das tun wir nicht«, wiederholte er mit rauer Stimme, die Augen starr auf den Rand meines BH s gerichtet.
» Ich will dir ja nicht widersprechen, aber …«
Er stützte sich auf einen Ellbogen. » Mein Gott«, flüsterte er. » Du bist so wahnsinnig schön.« Seine Finger zeichneten den Bogen nach, in dem der Spitzenbesatz auf meiner Haut auflag, und ich schloss die Augen, als ich es spürte. Es verschlug mir den Atem. Er hatte so schöne Hände, rau von seinen Tischlerarbeiten, aber dennoch sanft.
Und dann zog er sich zurück und ließ mich kalt und allein auf dem schmalen Bett zurück. » Nicht«, sagte ich. » Sag nicht so etwas und hör dann einfach auf.«
Er küsste mich wieder, und ich bäumte mich auf, da ich etwas wollte, das ich nicht ganz benennen konnte, obwohl ich wusste, dass ich es brauchte. Mit zusammengekniffenen Augen und herabgezogenen Mundwinkeln wälzte er sich zur Seite.
» So ein Kerl will ich nicht sein«, sagte er.
» Was für einer?« Ich versuchte, mich näher an ihn zu schmiegen, aber er streckte die Hand aus, um mich aufzuhalten.
» Einer, der mit dir schläft und dann von dir verlangt, dass du es geheim hältst.« Er schlang sich eine Strähne meines Haars um den Finger. » Das ist noch etwas, was ich über dich weiß. Du magst keine Geheimnisse.«
» Das ist etwas anderes.« Das war es. Wir verheimlichten unsere … wie auch immer man uns bezeichnen wollte … nicht aus Scham. Es war der Wahnsinn meiner Familie, der uns zwang, alles für uns zu behalten.
» Bist du dir sicher? Du hast dich in den letzten paar Monaten verändert, aber du bist immer noch glücklicher, wenn die Leute dich nicht sehen, wenn du im Hintergrund bleiben kannst. Das wird schwieriger, wenn erst alle wissen, dass wir zusammen sind.«
Prickelnde Erregung durchströmte meine Adern, als er das Wort » zusammen« aussprach, und machte mir Mut. » Dieses Wochenende ist in der Schule diese Tanzveranstaltung. Der Sadie-Hawkins-Ball. Die Mädchen laden die Jungs ein.«
» Mo …«
Anscheinend war ich ebenso dumm wie mutig, aber ich gab nicht auf. » Geh mit mir hin. Ich wollte nicht, weil es keinen außer dir gibt, den ich einladen möchte. Also lade ich dich jetzt ein.«
» Da ist immer noch Billy.«
Fünf Wörter, die wie ein Felsbrocken die Erregung zermalmten. » Du könntest ihm sagen, dass du auf mich aufpasst«, erklärte ich, aber das war ein schwaches Argument, und das wusste er.
» Du solltest hingehen«, sagte er und berührte meine Stirn mit seiner. » Großen Spaß haben. Mit deinen Freundinnen zusammen sein. Ein Kind sein.«
Ich stieß ihn von mir. » Ein Kind ? Meinst du das ernst? Sind wir schon wieder da angelangt?« Ich raffte meine Bluse zusammen und knöpfte sie mit ungelenken Fingern zu, hin- und hergerissen zwischen Verlegenheit und Zorn.
» So habe ich das nicht gemeint«, sagte er. » Du hast die Gelegenheit, einen Abend lang ein normales Mädchen zu sein. Warum nutzt du sie nicht?«
» Weil ich keine Lügen mag«, sagte ich. » Warum sollte ich vorgeben, normal zu sein, wenn doch alle wissen, dass ich es nicht bin?«
Er antwortete nicht, streckte sich neben mir auf der ausgeblichenen Patchworksteppdecke aus und zog mich an seine Brust. » Wir finden schon irgendwie einen Weg.«
Ich schmiegte das Gesicht an sein T-Shirt und atmete den Geruch seiner Haut ein. Es war die einzige Art, auf die ich ihn nahe bei mir halten konnte. » Das sagst du immer, aber es gelingt uns nie.«
Ich spürte, wie ihn ein Auflachen schüttelte, aber es lag keine Heiterkeit darin.
Kapitel 8
Nachdem Colin mich wieder an der Schule abgesetzt hatte, hatte ich gerade noch genug Zeit, meine Tasche in meinen Spind zu bringen und mich in die Journalismusstunde zu schleichen, die letzte an diesem Tag. Ich schlüpfte so unauffällig wie möglich auf meinen Platz, aber Miss Corelli zog eine Augenbraue hoch und klopfte auf ihre Armbanduhr. Sie hätte mich wohl sofort zum
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