Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
meine Wangen ausbreitete, aber ich ließ nicht locker. » Du …« Ich bewegte die Hand. » Schwankst. Auf der Kippe.«
» Und was soll ich deiner Meinung nach tun? Mich einfach fallen lassen?« Seine obsidiandunklen Augen richteten sich auf meine.
» Wäre das so schrecklich?«
» Nein«, sagte er nach einem langen Augenblick des Nachdenkens. » Aber gefährlich.«
» Das ist mir egal.«
» Ja, das ist mir bewusst.« Er sagte es leichthin, aber es war nichts Entspanntes an der Art, wie er mich ansah. » Es steht zu viel auf dem Spiel.«
» Ist es wegen Billy?« Der Schmerz in mir war dumpf und heftig, als würde mir ein Stein auf die Brust gepresst. Alles andere ergab keinen Sinn. Mein Onkel hatte etwas gegen Colin in der Hand, ein Geheimnis, irgendeine Information, ein Druckmittel, um sich Colins Loyalität zu sichern. Er hatte sich durchaus ein bisschen vorgewagt – seine Hände in meinem Haar, sein Mund auf meinen Lippen, während meine Finger über die Narben strichen, die sich auf seinem Rücken überkreuzten –, aber am Ende blieb es dabei, dass Billy irgendetwas gegen ihn in der Hand hatte. Ich kam nicht dagegen an.
Colin richtete den Blick auf den Teppich. » Ich habe dir doch schon gesagt, dass dein Onkel gut zu mir war.«
» Inwiefern?«
» Darüber rede ich nicht.«
» Warum nicht? Warum erfährst du alles über mich – Dinge, die ich dir nicht erzählen möchte, private Dinge, peinliche Dinge –, während ich nichts über dich erfahre? Warum ist das so?«
» Es ist ein großer Unterschied, jemanden zu kennen oder etwas über ihn zu wissen.«
» Was meinst du damit?«
» Viele Leute wissen etwas über dich.« Er stieß sich von der Wand ab. Seine Schritte ins Zimmer waren langsam und gemessen und unterstrichen seine Worte. » Dein Vater sitzt im Gefängnis. Dein Onkel ist ein Mafioso. Du bist eine Spitzenschülerin an einer Schule, die deine Mutter sich eigentlich nicht leisten kann. Du willst nach New York, sobald du kannst. Deine beste Freundin ist vor ein paar Monaten ermordet worden, und niemand weiß, warum. Du bist ein sehr nettes, stilles Mädchen, aber seit dem Sommer stimmt mit dir irgendetwas nicht.« Er neigte den Kopf zur Seite, so nahe bei mir, dass ich ihn hätte berühren können, wenn ich den Mut dazu gehabt hätte. » Du schickst deinen Leibwächter ständig in die Wüste.«
» Das …«
» Bist du nicht? Nein. Nicht einmal ansatzweise. Diese Leute wissen nicht, wie wütend du auf deine Familie bist. Sie haben keine Ahnung, wie weit du gegangen bist, um Verity zu rächen, oder was du dir damit angetan hast.« Ich starrte aus dem Fenster, während er weitersprach: » Sie wissen nicht, wie du deinen Kaffee trinkst oder dass du immer einschläfst, wenn du halb mit den Spanischhausaufgaben fertig bist, oder wie du aussiehst, wenn die Magie in dir glüht. Sie wissen nicht« – er schloss die Hand um meine Hüfte und zog mich an sich – » wie gut du riechst, nach Regen und Äpfeln.«
Seine Finger strichen meine Seite entlang, und ich schaute in sein Gesicht auf, als er sich über mich beugte. » Ich kenne dich, Mo. Und du kennst mich. Meine Vergangenheit, wer ich vorher war … das musst du nicht wissen. Nicht wirklich.«
Aber ich musste es eben doch wissen. Wie sonst konnte ich Billys Einfluss auf Colin brechen?
Colin küsste mich behutsam mit seinem sanften Mund. Aber ich war das Sanfte leid. Es war ein entsetzlicher Tag gewesen, und er war noch nicht einmal halb vorbei, also erwiderte ich seinen Kuss mit geöffnetem Mund und ließ all die Frustration und Begierde mit einfließen, die sich seit der Sturzflut in mir aufgebaut hatten.
Er stieß tief in der Kehle ein Geräusch wie ein Knurren aus, murmelte durch den Kuss hindurch meinen Namen, und einen heftigen, fürchterlichen Moment lang dachte ich, dass er sich mir entziehen und mich dafür beschimpfen würde, dass ich ihn bedrängte, obwohl er mir doch gerade gesagt hatte, dass ich es nicht tun sollte.
Und dann umschloss seine Hand meinen Hinterkopf, während die andere sich flach auf meinen Rücken legte, und wir stolperten aufs Bett zu.
» Das tun wir nicht«, murmelte er, während sein Mund über meinen Wangenknochen huschte und warm mein Ohr streifte. Meine Kniekehlen trafen auf die Kante der Matratze, und ich fiel aufs Bett und zog ihn mit.
» Klar.« Es war so wundervoll, sein Gewicht auf mir zu spüren, und ich schlang ein Bein um seine Hüfte, als ob ihn das an der Flucht hindern könnte. Er schmeckte
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